© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   42/02 11. Oktober 2002


Golfsport: Wer was auf sich hält, schwingt den Schläger
Kleiner Ball, ganz groß
Achim T. Volz

Uwe Seeler tut es, Beckenbauer tut es und Boris Becker erst recht. Zahnarztfrauen tun es, Unternehmersgattinnen ebenso und arbeitslose Fußballtrainer überbrücken auf dem "Green" die Wartezeit bis zum nächsten "Engagement". Das vordem fast ausschließlich unter Angloamerikanern beliebte Golfen ist auf dem europäischen Kontinent angekommen und schickt sich massiv an, das zu werden, was Tennis, der "weiße Sport", dank Boris & Steffi, längst wurde: ein showsportliches Unterhaltungs-Phänomen, das Massen bewegt.

Die Zahl aktiver Golfer wächst hierzulande ebenso rasant wie die derjenigen, die in den Kirchkanälen PremiereWorld und Deutsches Sportfernsehen (DSF) Stunde um Stunde den Flug des weißen Bällchens verfolgen möchten. Im millionärreichen Deutschland schießen die Golfturniere wie Pilze aus dem Boden; dank zugänglicher Dorfschulzen ist die flächendeckende Versorgung des Landes mit großstadtnahen Golfanlagen erreicht. Nicht zuletzt, weil es dem weltweit erfolgreichen Berufsspieler Bernhard Langer gelang, seiner Passion in einer "Gesellschaft" Popularität zu verschaffen, deren Volkscharakter nach wie vor, eher mehr denn je, zu großen Teilen aus Sozialneid besteht.

Industrie, Banken, Handel, Unternehmen, Versicherungen - kurz: Die Wirtschaft versichert sich längst des Ansehensgewinns, der mit golfnaher Präsentation eingeheimst werden kann: "Wir schätzen das Grün. Deshalb fördern wir den Golfsport und sind Hauptsponsor der Linde German Masters, des Turniers, wo sich jährlich die Besten der Besten treffen. Aber damit nicht genug. So gehört der Dresdner Bank Golf Cup mit achttausend Golfern pro Jahr zu den teilnehmerstärksten Amateurturnierserien Europas. Damit unterstützen wir die Kleinen genauso wie die Großen. Und das ohne Handicap" (Werbetext der Dresdner Bank September 2002) "Golf" - das ist mehr als ein geographischer Begriff, mehr als der Name eines Mittelklassewagens aus dem niedersächsischen Wolfsburg; "Golf" verströmt die Aura von Aufstieg, Erfolg, Reichtum, Geld, Einfluß, "Golf" steht desweiteren für weiße Villa mit weißem Kiesweg, weiße Zierzäune, auf Knopfdruck sich aufschwingende Gartentore, den lautlos heranrollenden weißen Jaguar, "Golf" steht assoziativ für blonde Endzwanzigerinnen, die im weißen Hosenanzug von Coco Chanel an der Seite ihres fünfzigjährigen Begleiters "repräsentieren".

Für "Macht" steht Golfen bislang eher nicht. Dies läßt sich aus der einschlägigen Abstinenz schließen, die jenes vorwiegend männliche Vorzeigepersonal übt, das in den massenmedialen Sichtzonen zu agieren hat; offenbar scheut das parteiförmige Segment des spätliberalistischen Gesellschaftssystems die allzu dichte Golf-Gesellschaft. Was brächten einem SPD-Bezirkssultan auch Bilder, auf denen er, in von Lobbyisten spendierten Edelkarozwirn gewandet, das fingerhuthohe Rasengrün neben dem offiziellen Kindergolfschläger-Lieferanten des Deutschen Golfverbandes umschreitet?

Daß der zu Geld gekommene obere Mittelstand seine Geschäfte und Geschäftchen bei Tennis, Reiten und Golf anbahnt, ist völlig normal. Das war immer so. Ungewöhnlich erscheint, daß es neuerdings massenhaft Schaulustige zu den Turnieren zieht. Ein gaffsüchtiges Publikum giert nach dem Anblick von "Prominenten", wie sie die RTL-Republik Tag für Tag hervorbringt. Die "Prominenten", die "Stars" aus den diversen TV-Retorten promenieren zwischen Karstadt Parcour, Master Club, Winners Lounge, MediaCenter und achten, wie die von Neid zerfressene plebs ringsum, auf Hinweise der Leaderboards, die ein eventuell aufziehendes Unwetter ankündigen. In diesem Fall sind Gelände und freistehende Bäume zu meiden. Man ist ja schließlich nicht zum Sterben da.

Ein paar tausend Euro sollte der gemeine Interessent pro Jahr schon übrig haben, wenn er beschließt, einen Golfclub dauerhaft zu erfreuen. Dann kann er sich aufgenommen fühlen in jene weltweite community, deren Protagonisten bei Eingeweihten die mythische Größe von Sagengestalten erreichen: "Tiger" Woods, Ernie "Big Easy" Els, John "GripitRipit" Daly und Colin Montgomerie, der sich heuer erst im Stechen am dritten Extraloch der DeutscheBank/SAP-Open geschagen geben mußte. Mike Campell hätte fast die Volvo Order of Merit im Handstreich gewonnen, wenn ihm bei den BMW Asian Open, dem Heineken Classic und der Benson & Hedges Tour nicht eine Handgelenksblessur behindert hätte. Retief Goosen aus Johannesburg ist ein charismatischer Gewinnertyp vom Schlage eines Severiano "Seve" Ballesteros; der Spanier hat Europas Golf geprägt wie kein anderer: Nur Nick Faldo, Sandy Lyle und Ian Woosnam reichen in etwa an ihn heran. Seve gewann alles, wenngleich ihm in jüngster Zeit ein wenig die Konstanz bei den Turnieren abhanden gekommen zu sein scheint.

Das einheimische Golfen hat neben seinem in die Jahre gekommenen "Kaiser" Bernhard Langer, für den 2001 noch einmal zu einem Glanzjahr wurde, eine Reihe junger Talente zu bieten: Wolfgang Huget durfte einmal "Kaiser" Franz Beckenbauer, Deutschlands prominentesten Golfenthusiasten, als Caddie die Ausrüstung durchs Gelände schieben und blieb beim Golfspiel hängen. Sven Strüver gewann die Canon Masters im Ko-System, der Münchner Alex Cejka freute sich jüngst über einen dritten Rang bei den Carlsberg Malaysian Open und war bei den Guiness Irish Open im Rennen um den Titel.

Der Golfsport ist - wie die Deutsche Telekom und American Football - ein englischsprachiges Phänomen: Die Championships auf dem Green verlangen Players, die über einen guten Drive verfügen, um mit dem Fairway-Holz das Par erreichen zu können. Ideal ist ein Hook oder Draw beim Pitchschlag, beide eröffnen eventuell ein Birdie, das den guten Score mit einem Super-Putt abschließt. Wenn am vierzehnten Loch der Ein-Meter-Birdieputt um die Kante tanzt, kommt typische Golfdramatik auf.

In der Regel geht es für die Profis um drei, vier Millionen Euro Preisgeld, die Extra-Klasse verdient fettes Geld. Es kommt auch genug davon herein, kostet die Tageskarte für ein großes Turnier doch an die dreißig Euro, nur Klassik- und Popstars sind hierzulande teurer. Gleichwohl strömen, von der breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, die Massen; 2001 drängten sich zu den Linde German Masters bei Köln über 50.000 Zahlende auf der Anlage des Golfclubs Gut Lärchenhof. Unter dem Motto "Golf is cool" werden auch heute wieder Werbe- und Schnupperaktivitäten für Jugendliche beiderlei Geschlechts angeboten ( www.gutlaerchenhof.de ).


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