© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Pseudo-Freiheit
Carl Gustaf Ströhm

Das Eigentümliche an der Freiheit ist, daß sie meist größer ausschaut, als sie in Wirklichkeit ist". An diesen Ausspruch des Wiener Satirikers Johann Nestroy wird man erinnert, wenn man von einem Vorfall erfährt, der sich jüngst in der kroatischen Hafenstadt Split zutrug. Eine Gruppe von etwa 30 internationalen Militärkorrespondenten wurde während einer Kroatienreise von Landeskennern mit Vorträgen über die aktuelle Lage informiert. Unter den einheimischen Referenten befand sich auch der bekannte Kolumnist Zoran Vukman, bekannt wegen seiner deutlichen Kritik an der gegenwärtigen Zagreber Linksregierung.

Mitten in seinem Vortrag zum Thema "Ethik und Medienfreiheit in Kroatien" geschah das Skandalöse: Ein Vertreter des Zagreber Verteidigungsministeriums entzog Vukman das Wort mit der Begründung, dieser habe sich nicht an das "Thema" gehalten und nicht über Medien, sondern über Politik gesprochen. Abgesehen von der offenkundigen Maulkorbpolitik unter Premier Ivica Racan könnte man fragen, ob es überhaupt möglich ist, über Medien zu sprechen, ohne die Politik zu berühren. Daß die Regierung Beamte als Zensoren gegen freie Meinungsäußerung auftreten läßt, ist bereits für sich alleine kein Ruhmesblatt.

Aber was hatte der oppositionelle Kommentator Vukman überhaupt gesagt, was den Zorn der Machthaber zwar nicht rechtfertigen, aber wenigstens verständlich machen würde? Vukman sprach von Überresten kommunistischer und balkanischer Mentalität, die sich mit gewissen Elementen linker und liberaler Ideen des Westens in Kroatien verbündet hätten. Er kritisierte den Mangel an Diskussionskultur, die Grenzen zwischen der seriösen und der "gelben" Presse seien nicht festgelegt. Fast die gesamte Massenpresse habe ein ausgesprochen ultra-linkes oder linksliberales Profil. Die kroatischen Medien seien heute gleichgeschaltet und verbreiteten im Lande depressive Stimmungen. Die natürliche Distanz zwischen Politikern und Journalisten sei verwischt. Schärfere Kritiken gegen den Regierungschef oder Staatspräsidenten gebe es kaum.

Die von westlicher Seite gepredigte verlogene "Unabhängigkeit" der Journalisten erweise sich laut Vukman als "scheinheilige Pose". Folgsame Journalisten würden mit politischen Sinekuren, etwa Botschafterposten, belohnt. US-Kollegen wollten es Vukman nicht glauben, daß seine eigenen Berufskollegen sich ihm gegenüber schlimmer aufführten als die Regierung selber. Er sei, so der Vortragende, ein Journalist und Intellektueller konservativer Richtung - aber seine Kollegen hätten ihn als "Klerofaschisten" bezeichnet, "obwohl ich durch meine Arbeit und mein Schreiben bewiesen habe, daß mir jegliche Idee des Faschismus und Kommunismus zuwider ist".

Vukman stellt bei den gegenwärtigen kroatischen Medien "niedriges intellektuelles Niveau" sowie verbale Aggressivität fest. Es herrsche ein "Anti-Intellektualismus", der von der Aversion vieler Halbgebildeter gegen jeden herrühre, welcher gebildeter sei als sie selber. Solange die Medien in Kroatien nur formell, aber nicht in Wirklichkeit demokratisch seien, werden sie auch weiterhin zu politischen Teilungen zwischen der Bevölkerung führen.

Die Ethik stehe in den kroatischen Medien auf einer sehr niedrigen Stufe. Das aber sei Ausdruck einer moralischen Verwirrung in der Gesellschaft. Die Freiheit der Medien sei nur eine Phrase. Sie sei selektive Freiheit für die einen und bedeute Ausstoßung für die anderen. "Am schlimmsten ist es, unter einer vorgetäuschten Pseudo-Freiheit zu leben", sagte Vukman.


 
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