© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002

 
Ablaßhandel
von Michael Wiesberg

Vergangene Woche hat der Bundestag eine Verlängerung des Bundeswehr-Mandats in Mazedonien gebilligt. Damit dürfen die rund 220 deutschen Soldaten, die derzeit in Mazedonien "Friedensdienst" leisten, mindestens bis zum 15. Dezember dieses Jahres in dem Land bleiben. Die rot-grüne Koalition nutze die Abstimmung über die Verlängerung des Mazedonieneinsatzes, um Geschlossenheit zu demonstrieren. Vor dem Hintergrund der Querelen im Zusammenhang mit einem möglichen Irakkrieg der USA legen die Koalitionäre offenbar wieder Wert darauf, als sicherheitspolitische Musterschüler zu gelten. Dies allerdings auf einem völlig falschen Terrain.

Mazedonien eignet sich nicht für einen derartigen Ablaßhandel. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) glaubt allen Ernstes, den Mazedonien-Einsatz als Erfolgsgeschichte feiern zu können. Das Land, so Struck, dürfe aber nicht zu früh sich selbst überlassen werden. Kann es mit Blick auf den nur mühsam unterdrückten Konflikt zwischen islamischen Albanern und slawischen Mazedoniern überhaupt einen geeigneten Zeitpunkt geben, der sich für einen Abzug eignet? Mazedonien macht wie kaum ein anderer "Friedenseinsatz" den Unsinn internationaler Polizeimaßnahmen deutlich.

Die Schaffung immer neuer Protektorate unter EU- oder Nato-Vorzeichen löst keinen einzigen Konflikt, sondern verschiebt und unterdrückt diese bestenfalls, solange fremde Truppen stationiert sind. Daß derartige Protektorate "Frieden" schaffen könnten, gehört zu den großen Lebenslügen der "westlichen Wertegemeinschaft".


 
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