© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002


Christoph Matschie
Thüringer Kaderreserve
von Christian Vollradt

Als Anwärter auf einen Posten in der Regierung wurde er schon kurz nach der Bundestagswahl gehandelt: Denn Christoph Matschie kommt aus Mitteldeutschland, wo die SPD Gewinne erzielte, und ist mit 41 Jahren jung genug, um als Hoffnungsträger zu gelten. Nun wird der Vorsitzende der Thüringer Sozialdemokraten mit seinem Jenenser Direktmandat neuer Staatssekretär im Bildungsministerium.

Mit Matschie sitzt in der zweiten Reihe des Kabinetts jemand, der schon 1995 seine Genossen im Bundestag zu einem positiven Verhältnis zur PDS aufrief. Das mag denjenigen wundern, der einen flüchtigen Blick auf seine nicht gerade linientreue DDR-Biographie wirft: Er studierte evangelische Theologie und schloß sich 1989 dem Neuen Forum, dann der Sozialdemokratischen Partei (SDP) an. Damit gehörte er zu der gerade in Jena maßgeblichen kirchlichen Opposition, die das SED-Regime von links bekämpfte, und der DDR Verrat am "wahren" Sozialismus vorwarf. Seit die Postkommunisten jedoch ihre ehemals "führende Rolle" eingebüßt haben, können, laut Matschie, inhaltliche Gemeinsamkeiten wieder in den Vordergrund treten, sei es in der Wirtschaftspolitik, bei der Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht oder ganz allgemein beim aktuellen "Kampf gegen Rechts".

Den Sprung an die Spitze der rund 6.000 Sozialdemokraten in Thüringen verdankte Matschie der verheerenden Niederlage seiner Partei bei den Landtagswahlen 1999, bei denen sie in der Wählergunst an die dritte Stelle rutschte. Den Annäherungskurs an die PDS, den schon sein zurückgetretener Vorgänger Richard Drewes eingeschlagen hatte, setzte Matschie gegen innerparteiliche Widerstände konsequent fort.

Der frischgebackene Staatssekretär kann sich für diesen Kurs auf thüringische Traditionen berufen, die noch weiter zurückliegen als jene "Einheitsfront" zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, die 1923 in Mitteldeutschland erstmals entstand. Denn mit seinem Geburtsort Mühlhausen, der Wirkungsstätte Thomas Müntzers, ist dem Theologen jene Verquickung von Christentum und Sozialismus quasi in die Wiege gelegt worden, die unter dem Begriff "Schwärmertum" firmiert und den Anspruch erhebt, das Paradies auf Erden zu errichten. Grund genug für den mit einer Afrikanerin Verheirateten, sich in Organisationen zu tummeln, die um den Ausgleich zwischen Erster und Dritter Welt, um Antirassismus und "Gender"-Theorien bemüht sind. Doch auf dem Thüringer "Christopher-Street-Day", dessen Schirmherr der zweifache Vater ist, wird mit der Regenbogenfahne jenes Symbol geschwungen, unter dem einst der Schwärmer Müntzer seinen Haufen bei Bad Frankenhausen gegen den Landgraf von Hessen in den Untergang führte. Weitere Gemeinsamkeiten mit dessen persönlichen Schicksal sind Christoph Matschie nicht zu wünschen.


 
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