© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002

 
Unliebsame Überraschungen
FDP: Bei den Liberalen spitzt sich die Auseinandersetzung um das Faltblatt Jürgen Möllemanns weiter zu / Ingo Wolf zum neuen Fraktionschef in Düsseldorf gewählt
Roland Gläser

Der zurückgetretene FDP-Landes- und Fraktionschef Jürgen Möllemann hat nach Zeitungsberichten am Dienstag überraschend seine Zelte auf Gran Canaria abgebrochen. Doch die FDP wird ihn kaum mit offenen Armen aufnehmen. Vielmehr schieben sich derzeit in seinem nordrhein-westfälischen Landesverband mehrere Spitzenliberale gegenseitig die Verantwortung für das Desaster der Landespartei zu. Unterdessen wiederholte der Landtagsabgeordnete Jamal Karsli seine Ankündigung, mit Möllemann eine neue, liberale Partei gründen zu wollen.

Die FDP-Spitze verlangt von Möllemann weiterhin Aufklärung über die Finanzierung des umstrittenen Wahlkampf-Faltblatts zu Israel. Die Parteiführung geht davon aus, daß es sich um gestückelte Großspenden handelte, was ein Verstoß gegen das Parteiengesetz wäre. Dabei schwingt nicht selten der Verdacht mit, das Geld käme aus dem arabischen Raum. Jürgen Möllemann wäre also eine Art Handlanger von Erdölscheichs oder gar des lybischen Revolutionsführers Gaddafi. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat indes noch kein Ermittlungsverfahren gegen Möllemann eingeleitet.

Ein wenig wirkt FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt wie der Zauberlehrling. Beim Großreinemachen bei den Liberalen in NRW kommt mehr zutage, als ihm und Parteichef Westerwelle lieb sein kann. Mehrere neugewählte Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen sollen nach Medienberichten Barspenden von Möllemann erhalten haben.

Noch ärgerlicher für die FDP-Führung ist die Nachricht, daß Möllemanns designierte Nachfolgerin Ulrike Flach, die am 10. November zur neuen FDP-Landesvorsitzenden gewählt werden soll, von der Flugblattaktion Kenntnis hatte. Die 51jährige Bundestagsabgeordnete räumte ein, bereits am 11. September von dem Israel-kritischen Flugblatt informiert worden zu sein - von Möllemann. Auch der Schatzmeister der Liberalen an Rhein und Ruhr, Andreas Reichel, soll davon gewußt haben.

Der Versuch, den gesamten Vorgang der Erstellung, Finanzierung und Verteilung des Flugblatts ausschließlich Möllemann in die Schuhe zu schieben, ist gescheitert. Als ersten hatten die Saubermänner der Parteispitze den Landesgeschäftsführer der Partei beurlaubt. Aber auch Hans-Joachim Kuhl kommt nicht als einziger Mittäter in Betracht. Trotzig behauptete Ulrike Flach zu Beginn der Woche noch immer, Kuhl habe die Konditionen für die Verteilung des Flugblattes als Privatmann, nicht aber als Landesgeschäftsführer, mit der Post ausgehandelt.

Ein Sieger der Diadochenkämpfe in Düsseldorf steht zumindest bereits fest. Möllemanns Nachfolger im Amt des Fraktionsvorsitzenden im Landtag ist Ingo Wolf. Der 47jährige Jurist setzte sich am Dienstag in einer Kampfabstimmung durch. Und selbst die letzten Weggefährten Möllemanns gehen auf Distanz, da jetzt klar ist, daß er kaum zurückkehren wird. So kann sich Schleswig-Holsteins FDP-Landeschef Wolfgang Kubicki "kein Comeback Möllemanns" vorstellen und berichtet, Möllemann sei am Telefon sehr zurückhaltend. Die hessische FDP forderte ihn gar zum Austritt auf.

Nur sein Amtsvorgänger Schultz-Tornau hält zu Möllemann. In einer Erklärung bezieht er eindeutig Stellung für seinen Nachfolger als Landesvorsitzenden. Westerwelles und Rexrodts Handeln bezeichnet er als eine "Zumutung für die innerparteiliche Demokratie". Die Aufgabe des Projekts 18 setzt Schultz-Tornau mit der Einführung eines Projekts "U5" gleich.

Inzwischen weitete Günter Rexrodt seine Kassenprüfung auf den gesamten NRW-Landesverband aus. Mit dem Lobbyisten Rexrodt kann allerdings niemand mithalten. Der Bundestagsabgeordnete steht unangefochten an der Spitze der Interessenvertreter auf der Berliner Bühne. Zuletzt sorgte Rexrodts Tätigkeit als Geschäftsführer für eine PR-Agentur für Schlagzeilen. Rexrodt ist Geschäftsfüher von WMP (Wirtschaft, Medien, Politik) bzw. von deren Tochterunternehmen. Die WMP AG arbeitet zum Beispiel für die türkische Regierung, deren Anliegen der EU-Beitritt ihres Landes ist. Rexrodt hat damit keine Probleme. Er äußerte kürzlich die Hoffnung, daß noch mehr ausländische Staaten die Dienste seiner Firma in Anspruch nähmen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen