© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002

 
Exegese oder Spiritualität
Wie "authentisch" ist die Bibel?
Georg Alois Oblinger

Längst schon haben die regelmäßigen Kirchgänger erfahren, daß es keine Engel und keinen Teufel gibt. Wenn in der Bibel dennoch davon die Rege ist, dann soll hier symbolisch das Handeln Gottes beschrieben werden. Auch die Jungfrauengeburt sei natürlich nicht biologisch, sondern symbolisch gemeint, erfährt der Kirchgänger an Weihnachten. An Ostern besucht er dann den Gottesdienst, um zu hören, daß auch die Auferstehung Jesu nicht leiblich zu verstehen ist. Die Evangelisten wollen uns nur sagen: Die Sache Jesu geht weiter. Sollte der Kirchgänger immer noch nicht entmutigt sein und auch noch an Pfingsten zum Gottesdienst kommen, heißt es dort, der historische Jesus habe auch keine Kirche gründen wollen, dies sei erst eine Idee der ersten Christen gewesen. Immer wieder verweist man auf den Unterschied zwischen dem historischen Jesus, von dem man so gut wie nichts wisse, und dem Christus des Glaubens, der nur ein Produkt der christlichen Gemeinde sei.

Solche Bibelauslegung geht zurück auf die literarkritische Methode von David Friedrich Strauß (1808-1874) und wurde vor allem durch den protestantischen Exegeten Rudolf Bultmann (1884-1976) verbreitet. Zunächst nur auf die evangelische Kirche beschränkt, griff dieses Denken nach dem Zweiten Vatikanum (1962-1965) dann auch auf die katholische Kirche über. Mittlerweile hören schon Grundschüler, daß Jesus bei der Brotvermehrung kein Wunder vollbracht habe, sondern daß fünftausend Männer deshalb satt wurden, weil alle geteilt haben.

Einer solchen Bibelauslegung sagt ein Mann schon seit Jahren den Kampf an: Klaus Berger, der Katholik, der an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg neutestamentliche Exegese lehrt. Für Aufsehen sorgten schon seine bisherigen Titel wie "Wer war Jesus wirklich?", "Wozu ist der Teufel da?" oder "Kann man auch ohne Kirche glauben?". In seinem neuesten Buch übt Berger schonungslos Kritik an der Exegese der letzten Jahrzehnte und plädiert für eine Versöhnung von Exegese und Spiritualität. Dieses Buch war schon seit langem überfällig.

Klaus Berger: Sind die Berichte des Neuen Testaments wahr? Ein Weg zum Verstehen der Bibel. Verlaghaus/ Quell, Gütersloh 2002, 213 Seiten, 19,95 Euro


 
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