© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002

 
Leserbriefe

Zu "Pro & Contra: Päventivschlag gegen den Irak?", JF 43/02

Perverse Diskussion

Seit Monaten wird über einen weiteren Massenmord am irakischen Volk diskutiert. Das ist unerträglich pervers und spottet jeder Beschreibung. Schon bevor der Irak erobert ist, wird über die Verteilung der Kriegsbeute gestritten. Das irakische Volk liegt derweil durch die jahrelange Hungerblockade, den massenhaften Einsatz von radioaktiv verseuchten Waffen 1991 und fast tägliche Bombenmassaker am Boden. Bis dato sind rund 1,2 Millionen Opfer zu verzeichnen. Zehntausende US-Soldaten sind durch den Waffeneinsatz vergiftet worden und leiden am "Golfkriegssyndrom". Deutsche ABC-Panzer bleiben nun trotz gegenteiliger Wahlversprechen im Aufmarschgebiet stationiert.

Wahrscheinlich will man die rund 58.000 von den USA auf den Irak verschossenen Granaten wieder einsammeln. Die US-Stützpunkte in der BRD haben in den letzten Wochen regen Flugverkehr. Solidarität bis zum Massenmord?

Dominik Tronnier, Weimar/Lahn

 

Ersetzbarkeit

Wenn man einige Ortsangaben von Überfällen ändert und erweitert, statt "Saddam Hussein" und "Irak" "die USA" setzt und den Schmonzes von der Rettung Großbritanniens wegläßt, könnte der Wortlaut der "Pro"-Argumentation des amerikanischen Abgeordneten Hyde auch eine Rechtfertigungsrede Saddam Husseins sein. 

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Der Weg zur Sekte" von Melanie Walter, JF 43/02

Siegreiche Abwehrkämpfe

Verlief der Parteitag der PDS in Gera wirklich überraschend? Nein, wer die Strömungen in der Partei kennt - auch die öffentlich verborgenen, aber nicht weniger wirkenden - hat genau diese Weichenstellung in die politische Sackgasse erwartet. Sie erfolgte aber schon vor längerer Zeit.

Zu lange hatte die Partei der Öffentlichkeit einen großen ideologischen Graben zwischen den verschiedenen Parteiflügeln vorgegaukelt; dieser allerdings entpuppte sich mehr taktischer, denn inhaltlicher Natur, da kaum wirkliche Differenzen in den von der Partei für wichtig gehaltenen Punkten öffentlich thematisiert wurden. Streit gab es im Grunde nur um die Frage, ob der Einfluß der Partei durch eine konstruktive oder fundamentale Opposition zu vergrößern sei. Die nun siegreiche Linie garantiert der Parteimasse die Fortsetzung der weiterhin auf fester marxistisch-leninistischer Ideologie basierenden Politik. Man sitzt nun im selbst gewählten politischen Bunker.

Längst aber hat sich die Partei von einer demokratisch-sozialistischen Ausrichtung, die ursprünglich als klar theoretisch begründetes, pluralistisches Konzept zum orthodoxen Kommunismus gedacht war, verabschiedet. Übrig blieben Ziele und Inhalte, die stets mit alter Denkungsart kompatibel waren, lediglich der Ton wurde in Facetten moduliert. Anhänger einer pluralistischen Weltanschauung mobbte man schon vor Jahren aus der Partei (wie zum Beispiel die Autorin dieser Zeilen, die 1982 die "Demokratischen Sozialisten" im Westen mitbegründete).

Die PDS hat sich mehrheitlich für eine Rolle außerhalb der Gesellschaft entschieden; für die Umsetzung dieses Wunsches, wurde Zimmer gewählt - dafür errang sie ihren historischen Pyrrhussieg! Die seit geraumer Zeit zunehmende Radikalisierung der Partei wird sich also fortsetzen, man wird so noch einige Jahre lang heldenhaft "Siegreiche Abwehrkämpfe" führen!

Tanja Krienen, Unna

 

 

Zur Meldung "Schönhuber: Rechte Parteien auflösen", JF 43/02

Egomanen und Selbstdarsteller

Schade, daß sich die JF dafür hergibt, den unbedeutenden Kommentaren des über 80jährigen Politrentners Schönhuber immer noch ein Forum zu bieten. Nicht zuletzt die publizierte Wahlempfehlung Schönhubers zugunsten Kanzler Schröders während der vergangenen Bundestagswahl zeigt mehr als deutlich, daß dieser Herr schon lange nicht mehr ernst zu nehmen ist und für zukünftige Projekte unbedingt gemieden werden sollte. Die deutsche Rechte hat schon genügend Egomanen und Selbstdarsteller.

Stephan Stritter, Mainz

 

Schimpfliche Unterordnung

Die Ergebnisse der Bundestagswahl lassen die Forderung Schönhubers gerechtfertigt erscheinen, weil sie als Voraussetzung des "dann möglichen Neuanfangs" gesehen werden. Gerade mal zwei Prozent der Wähler haben den Rechtsparteien, die allgemein als Verliererparteien zu gelten scheinen, ihre Stimme gegeben und damit, sicherlich ungewollt, Rot-Grün gerettet. Man fragt sich, ob hier Hoffnung auf Wahlkampfkostenerstattung nationalen Interessen schimpflich untergeordnet wurde.

Seriöse Wissenschaftler weisen nach wie vor darauf hin, daß mindestens 15 bis 20 Prozent des Volkes patriotischen Ideen aufgeschlossen sind. Aus Gesprächen weiß man, daß viele Bürger das Vertrauen zu den sogenannten Volksparteien längst verloren haben und deshalb in zunehmendem Maße mangels annehmbarer Alternativen nicht wählen gehen. Die wiederum gesunkene Wahlbeteiligung bestätigt diesen Trend.

Karl Betz, Reiskirchen

 

 

Zu: "Wer und was kommt nach Schröder?" von Wolfgang Seiffert, JF 43/02

Deutliche Stellung

Weit sei es von mir entfernt, das Fachwissen von Professor Seiffert in Frage zu stellen. Er mag wohl recht haben, daß Schröders Argumente für seine Irak-Haltung alle "falsch" sind. Die Tatsache aber, daß Kanzler Schröder mit seiner Irak-Haltung Stimmen gewann, hat nicht mit der Falschheit oder Rechtfertigung seiner Argumente zu tun. Es geht vielmehr darum, daß ein führender deutscher Politiker deutlich und unmißverständlich Stellung genommen hat, und das in einer Frage der Auslandspolitik. Nicht Schröders Meinung, sondern daß nach 60 Jahren Duckmäuserei ein Bundeskanzler eine unabhängige Meinung, egal wie falsch, in einer Frage der Auslandspolitik hatte, brachte dem Bundeskanzler neue Stimmen. 

Michael Walker, Köln

 

 

Zu: "Weit entfernt von einer Bananenrepublik" von Dieter Stein, JF 42/02

Das Deutsche weggelassen

Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, fehlte bei den Feierlichkeiten in Berlin nicht nur unsere Nationalhymne, auch in den Nachrichtensendungen wurde nur der Untertitel "Tag der Einheit" weiß auf blau eingeblendet. Das Wort "deutsch" war weggelassen. 2001 wurde am 9. November der Tag des Mauerfalls in den Einheits-Medien totgeschwiegen. Alle diese Feinheiten gegen uns Deutsche müssen doch mit System gesteuert werden!

1990 konnte ich die Feier des französischen Nationalfeiertags am Abend des 14. Juli bei herrlichem Wetter auf dem Marsfeld miterleben. Das ganze Marsfeld war ein Menschenmeer. Es ertönte Musik von Beethoven bis Glenn Miller, die von einem Feuerwerk am Trokkadero optisch umrahmt wurde. Ein unvergeßliches Erlebnis! Auch die Feier am Ende der Fußballweltmeisterschaft war eine Glanzleistung der Franzosen. Solche Dinge sind bei ihnen nationale Aufgaben. Das krasse Gegenstück war unser kleinkariertes Gerangel um die blasse Weltausstellung in Hannover. Solange wir den Begriff Bundesrepublik anstelle von Deutschland verwenden - wie leider auch in der JF oft zu lesen - wird sich nichts ändern.

Udo Knau, Minden

 

 

Zu: "Mit Bernd und Armin am Kamin" von Klaus P. Lücke, JF 42/02:

Unsicherheit

Offenbar hat sich noch nicht bei allen Linken herumgesprochen, welch wundersame Wandlung vom Saulus zum Paulus Bernard C. Wintzeck und sein Heft Mut durchgemacht haben. Erst vor einem Monat beschimpfte Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung das Heft Mut mit einem Mega-Superlativ als "Äußerst-Rechtsaußen"-Publikation (SZ vom 16. September 2002). Vielleicht sollte der Armin den Herbert mal "amtlich" über Bernhard aufklären.

Spaß beiseite: Auf einem Wiener Flohmarkt fand ich letztes Jahr ein paar verschmuddelte Mut-Heftchen aus den späten siebziger Jahren und war wenig angetan. Daher ist es zu begrüßen, wenn sich Wintzek vom NPD-Extremismus abgewandt hat und nunmehr konservativer Demokrat sein will. Daß Wintzek seine Bekehrung jedoch durch permanente Schleimerei bei Linksliberalen unterstreichen und nun selbst im Antifa-Chor mitsingen muß, zeugt von gewisser Unsicherheit.

Suzanne Mueller, per E-Post

 

 

Zu: "Heilen um seiner selbst willen" von Jens Jessen, JF 42/02

Mord mit der Feder

In seiner Rezension des Buches "Das Medizinkartell" hat Jens Jessen wesentlich mehr verbrochen, als man von ärztlicher Seite stillschweigend tolerieren könnte. Wenn er sich beispielsweise darüber mokiert, daß 50 Prozent der Leistungen im stationären Bereich für sterbende Patienten ausgegeben werden, dann springt er im Salto mortale aus dem abendländischen Wertekanon: Ein Sterbender ist vor seinem Tod oft ein Schwerkranker, der natürlich maximal versorgt werden muß, um das Sterben so menschlich wie möglich zu gestalten, beziehungsweise um gegebenenfalls zu versuchen, sein Leben noch zu retten! Ähnlich kriminell wird es, wenn der Verfasser Impfungen als "nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich" bezeichnet. Jede angeblich harmlose Kinderkrankheit kann schlimme Komplikationen nach sich ziehen: Masern führen zur Hirnentzündung, Mumps zur Hodenentzündung mit konsekutiver Unfruchtbarkeit, Röteln bei Schwangeren zu schwersten Mißbildungen des Kindes, und Diphterie ist nach wie vor eine tödliche Erkrankung! Nur durch konsequentes Impfen können unsere Kinder davor geschützt werden!

Doch der Verfasser geht noch weiter: Bei Brustkrebs "bringen operative Möglichkeiten mehr Verstümmelung als Linderung" - dieser Satz ist Mord mit der Feder! Fakt ist, daß es beim Krebs schon mal nicht um "Linderung" - wie beim Schnupfen - geht, sondern ums nackte Überleben, das nur durch eine radikale operative Herausnahme des Herdes erreicht werden kann! Wer Menschen davon abrät, nimmt ihnen die letzte Überlebenschance!

Fazit: Wenn man Artikel zu so verantwortungsvollen Themen schreibt, sollte man bei der Recherche mehr Sorgfalt walten lassen. Ansonsten wird man nicht mehr erreichen, als das Bild des Schreibtischtäters um eine unappetitliche Nuance zu bereichern. 

Philipp Kalk, Berlin

 

 

Zu: "Auch aus den Erinnerungsräumen vertrieben" von Axel Jahnke, JF 42/02

Wahrer Sachverhalt

Der Artikel enthält einen Fehler. Es heißt: "Das geschah zu einer Zeit, als die Kohl-Regierung es nicht für opportun hielt, einen Bericht des Bundesarchives über Vertreibungsverbrechen zu publizieren." Der wahre Sachverhalt ist folgender: In der Kabinettssitzung vom 25. Juni 1969 beantragte ich als letzter Bundesvertriebenenminister "das ihm und anderen Stellen vorliegende Material über Verbrechen und Unmenschlichkeiten, die an Deutschen im Zuge der Vertreibung begangen worden sind, zusammenzustellen und auszuwerten." Der damalige Außenminister Willy Brandt lehnte dies ab, weil er eine Belastung des Deutsch-Polnischen Verhältnisses befürchtete. In Verhandlungen mit seinem Staatssekretär Dr. Duckwitz erreichte ich schließlich doch, daß dem Bundesarchiv am 16. Juli 1969 der Auftrag erteilt wurde, eine Dokumentation der Vertreibungsverbrechen zu erarbeiten. Über deren Veröffentlichung sollte nach Fertigstellung entschieden werden. Die Dokumentation ergab, daß rund 2,2 Millionen Deutsche als "Nachkriegsverluste" anzunehmen sind.

Eine Gleichsetzung dieser Zahlenangaben mit der Gesamtheit der Todesopfer aus den Vertreibungsgebieten verbiete sich. Das Ergebnis dürfe nicht vergessen lassen, daß eine weitaus größere Zahl von Deutschen Opfer von Gewalttaten wie Vergewaltigungen und Mißhandlungen geworden sei, die nicht unmittelbar zum Tode führten. Die Dokumentation wurde 1974 abgeschlossen. In der Bundestagssitzung vom 25. September 1974 richtete ich unter anderen folgende Frage an die Bundesregierung: "Ist die Bundesregierung bereit, der Öffentlichkeit ... eine zusammenfassende Darstellung im Zusammenhang mit dem II. Weltkrieg geschehener Verbrechen ... an Deutschen vorzulegen - gegebenenfalls, warum nicht?" An diesem Fragenkomplex beteiligte sich eine große Zahl von Abgeordneten der CDU/CSU. Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Inneren, Baum (FDP). Er war der Meinung, daß unsere Junge Generation über diesen leidvollen Komplex der deutschen, der europäischen, der Weltgeschichte hinreichend informiert sei, ohne daß es dazu einer solchen Dokumentation bedürfe. An dieser Auffassung hielt die SPD/FDP Bundesregierung, trotz wiederholter Nachfragen bis an ihr Ende fest. Erst Minister Dr. Zimmermann (CSU) der Regierung Kohl gab die Dokumentation frei. 

Heinrich Windelen, Bundesminister a. D., per E-Post

 

Horrible Bilanz

Der horriblen Bilanz über die "Trockenlegung" deutscher Zeitgeschichtsforschung in den Ostprovinzen durch unsere eigenen Regierungen aller Couleur in den letzten Jahrzehnten kann leider nicht widersprochen werden. Begünstigt und verschärft wurde und wird diese beklagenswerte Entwicklung noch dadurch, daß in Deutschland kaum akademischer Nachwuchs bei den Historikern vorhanden ist, der an dieser Thematik interessiert ist oder durch ihre Professoren an diese Materie herangeführt wird.

Dagegen gibt es jede Menge hochmotivierter polnischer Historiker, die sich der Aufarbeitung der Kultur des deutschen Ostens widmen und dies auch in der Regel frei von nationaler Voreingenommenheit tun. Hinzu kam durch die jetzige Regierung der allgemeine "kulturelle Kahlschlag" im Bereich der Vertriebenen durch Herrn Naumann. Hier in Sonderheit die Schließung der "Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen", die unter dem vor kurzem verstorbenen Odo Ratza unter Heranziehung namhafter Experten, wie zum Beispiel Prof. Blumenwitz, erfolgreiche Grundlagenforschung auf diesem Gebiet betrieb, um wenigstens die Grundsubstanz zu erhalten. Hierbei helfen auch noch Institutionen wie die "Kommission für Geschichte der Deutschen in Polen", die "Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung", die "Copernicus-Stiftung" und andere mehr.

Wie wichtig und notwendig solche Tätigkeiten sind, zeigt der laufende Disput über das skandalöse Gutachten des deutschen Professors Frowein im Zusammenhang mit den Benes-Dekreten!

Christoph Nehring, Essen

 

 

Zu: "Abschied von der Sprache" von Günter Zehm, JF 41/02

Kritik aus dem Elfenbeinturm

Sehr schöne fundamentale Kritik, die die Philosophen sich in ihrem Elfenbeinturm ausgedacht haben. Sie geht an der Wirklichkeit vorbei, denn deren Darstellung hat sich weiter entwickelt, als die antiken Weisen auch nur ahnen konnten.

Seit Werner Heisenberg ist die Beschreibung der Dinge in ihrer quantenphysikalischen Widersprüchlichkeit selbst mit Bildern nicht mehr vollständig möglich. Wer einmal ein physikalisches Lehrbuch alten Stils in der Hand hatte, weiß deshalb die Bildersprache dem Formelchaos vorzuziehen. Wer allerdings über die Auswirkungen der Alkoholabhängigkeit auf Beruf und Arbeitsplatz referiert, sollte tatsächlich auf den "Polylux" verzichten können.

Volkmar Weiß, Berlin

 

 

Zu: "Professoren fordern Mut zu Reformen" von Bernd-Thomas Ramb, JF 40/02

Lösungsmöglichkeit

Die Anpassung der Löhne und Gehälter der Normallohnländer an die Billiglohnländer führt zu einem Wettlauf abwärts, den wir nie gewinnen können. Würde man den Empfehlungen der Experten folgen und die Lohnkosten in Europa damit etwas senken, stiege der Druck der global Players auf ihre Werkbänke in Asien, und die dort tätigen Menschen würden noch eklatanter unterbezahlt. Zyniker könnten sich damit trösten, daß in Ländern mit hohem Geburtenüberschuß genügend Reservekräfte vorhanden sind.

Die einzig wirkliche Lösungsmöglichkeit wäre die sofortige Einführung von europäischen Schutzzöllen auf Industrieprodukte aus Billiglohnländern. Die damit verbundene Verteuerung dieser Produkte wäre zunächst gewiß eine bittere Pille für verwöhnte europäische Konsumenten; aber eine Pille die wirkt: sinkende Arbeitslosigkeit, eine niedrige Staatsverschuldung. 

Gerd Trepte, Berlin


 
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