© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
Und noch 'ne Partei
Jamal Karsli: Der Deutsch-Syrier will eine neue Partei gründen / "Sozialliberal, interkulturell, multireligiös, freidenkend und deutsch" soll sie sein
Manuel Ochsenreiter

Kein Interesse" ließ Jürgen Mölle- mann noch aus seinem schneeweißen Feriendomizil "Nuestro Sueno" (Unser Traum) im Süden Gran Canarias verlautbaren. Aus der Traum für Jamal Karsli, der sich Möllemann als PR-erprobtes Zugpferd für seine anvisierte Parteineugründung wünschte.

Aber dafür rechnet der aus Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags mit "600 Personen des öffentlichen Lebens", die sich am Partei-Projekt des gebürtigen Syrers beteiligen wollten.

Berühmt wurde Karsli mit einem Paukenschlag im April dieses Jahres, als er "überraschend und ohne jede Vorwarnung" (Grünen-Rundbrief vom 23. April) seinen Austritt aus den Grünen bekanntgab und zeitgleich einen Aufnahmeantrag beim Kreisverband Gelsenkirchen der FDP stellte. Bereits im März geriet er mit der grünen Parteiführung aneinander, als in einer Pressemitteilung der israelischen Armee "Nazi-Methoden" im Umgang mit Palästinensern vorwarf.

Ansonsten machte Karsli, der 1980 nach Deutschland kam und Raumplanung in Dortmund studierte, kaum von sich reden. Der sich selbst gerne als "streitbar" bezeichnende Karsli wurde 1956 geboren und studierte in Damaskus Industriechemie bevor er nach Gelsenkirchen kam. Seit 1985 ist der Inhaber eines Übersetzungsbüros deutscher Staatsbürger und mit einer italienischen Lehrerin verheiratet.

Seine politische Sozialisation in der Bundesrepublik begann 1993 bei den Grünen, für die er 1994/95 im Ausländerbeirat der Stadt Recklinghausen saß und ab 1995 im Landtag Nordrhein-Westfalens. Als Migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und als Mitglied des Petitionsausschußes geriet der "engagierte Menschenrechtler" ausgerechnet in die Kritik der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Diese war von Karslis "Solidaritätsausflug" in den Irak im Sommer 2001 alles andere als begeistert. Karsli veröffentlichte dazu einen Reisebericht, der heute noch auf seiner Internet-Seite zu lesen ist. Darin beschreibt der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Saddam Husseins Reich als eine Art mißverstandenes, arabisches Musterländle, in dem die zarten Blüten der Demokratie und Menschenrechte mehr von den Sanktionsmaßnahmen des Westens, als von Husseins Regime bedroht seien. Laut dem Generalsekretär der GfbV, Tilman Zülch, verschweigt Karsli in seinem Bericht die "schlimmste Kurdenausrottung seit Atatürk". Die Tatsache, daß im Irak auf 18 Straftatbestände die Todesstrafe steht, waren dem Amnesty International-Mitglied und "Gegner der Todesstrafe" in seinem Bericht keine einzige Silbe wert. Doch auch sonst war Jamal Karsli für die eine oder andere bizarre Forderung zu haben. So sprach sich der "Mittler zwischen Deutschland und der arabischen Welt" für eine Nutzung christlicher Kirchen, welche "nicht mehr benötigt" würden, als Moscheen aus. Kritik an diesem Vorschlag seitens des CDU-Landeschefs Jürgen Rüttgers wiegelte Karsli als "Stillosigkeit" ab. Auch begrüßte er das deutsche Urteil, welches die rituelle islamische Schlachtung (Schächten) im Rahmen des Rechts auf freie Religionsausübung erlaubte - allerdings nicht ohne den Verweis darauf, daß die "Jagd auf Wild" den Tieren unverhältnismäßig viel mehr Schmerz" zumuten würde, als eine "professionell durchgeführte Schächtung".

Karsli scheint eine Art sechsten Sinn für Fettnäpfchen-Treffsicherheit zu haben. So rechtfertigte er sich ausgerechnet in der Parteizeitung der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD), Rote Fahne für sein Interview mit der jungen freiheit, in dem er von einer "mächtigen zionistischen Lobby" sprach.

Ob er nochmals mit der JF sprechen würde, wisse er angesichts der öffentlichen Kritik nicht. "Man hat etwas gegen mich gesucht und in diesem Äußerungen gefunden, und die Kampagne zeigt, wie mächtig diese Lobby ist", so Karsli gegenüber der Roten Fahne.

Nach seinem gescheiterten FDP-Übertritt tüftelt der mittlerweile Partei- und Fraktionslose Vater zweier Kinder an den Möglichkeiten seines Wiedereinzugs in den Landtag 2005. Dies geht am besten mit einer "eigenen Partei", welche Karsli blumig wie aus 1.000 und einer Nacht als einen "neuen Stern am Parteienhimmel" anpreist. Ganz so neu klingt das Programm der Karsli-Partei, dann doch wieder nicht. "Sozialliberal, interkulturell, freidenkend und vor allem deutsch" solle sie sein - es kommt der Zusatz, Neo-Nazis hätten "in dieser Partei nichts zu suchen".

Hauptthemen seien "Frieden und soziale Gleichberechtigung". Trotz der Beliebigkeit der Zielsetzung nimmt sein Zeitplan schon erstaunliche Präzision an: "Bis zum Jahr 2005 wollen wir diese Partei auf NRW-Ebene zur Landtagswahl führen", so Karsli, dem die Welt bereits "nicht ganz frei von Größenwahn" bezeichnete. Na wenn das alles dann mal kein Traum bleibt.


 
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