© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
Zwei Kilo Deutschland am Stück
Statistisches Jahrbuch: Wieviel die Bundesbürger essen, was sie trinken und wie sie ihre Kinder nennen
Peter Freitag

Seit gut einem Monat ist die Antwort auf die Frage "Was ist Deutschland" wieder zwischen zwei Buchdeckeln erhältlich. Alles was sich irgendwie zählen, wiegen oder messen läßt, wurde akribisch zusammengetragen und auf gut 700 Seiten in Form von Tabellen, Schaubildern und Erläuterungen niedergelegt.

Der Titel des Werkes: Statistisches Jahrbuch 2002, herausgegeben von Johann Hahlen, dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes. Deutschland erstreckte sich im Jahr 2001 (unverändert zum Vorjahr) von Nord- und Ostsee bis zu den Alpen auf einer Fläche von 357.022 Quadratkilometern. Die Länge der Grenzen zu seinen neun befreundeten europäischen Nachbarstaaten betrug insgesamt 3.757 Kilometer, wobei wir nebenbei erfahren, daß die Seegrenze zu Dänemark noch nicht endgültig festgelegt ist. 40.157.000 Männer und 42.103.000 Frauen, macht als Summe 82.260.000 Einwohner, teilten sich im Jahr 2000 diese Fläche sowie eine jährliche Niederschlagsmenge von 500 bis 2.000 Millimetern, was bei einer Jahresdurchschnittstemperatur von +9 Grad Celsius recht erträglich ist. Mehr Wasser führen die 41 schiffbaren Flüsse (Kanäle nicht eingerechnet), Meerwasser dagegen umgibt die 19 Nord- und 24 Ostseeinseln. Neben den Menschen wohnten im Deutschland des Jahres 2001 noch 25.958.000 Schweine und 14.227.000 Rinder, das macht pro Quadratkilometer 73 Schweine (leicht angestiegen gegenüber dem Vorjahr) und lediglich 40 Rinder (leicht abnehmend), aber immerhin 230 Menschen. Der Überschuß an Gestorbenen gegenüber Geborenen betrug bei den Menschen 71.798. Daß ihre Zahl hierzulande dennoch leicht ansteigend ist, liegt am Überschuß der Zuzüge gegenüber den Abwanderungen im Verhältnis von 841.158 zu 674.038. Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer betrug 2001 7.319.000 (Tendenz leicht steigend), eingebürgert wurden im Jahr 2000 186.688 Personen. Im selben Jahr erblickten 766.999 Neugeborene das Licht der Welt von Deutschland aus, wobei die Mädchen an erster Stelle Marie, die Jungen Alexander genannt wurden (für Schweine und Rinder liegen leider keine Vergleichszahlen vor). Lieblingskind der hiesigen Menschen ist bekanntlich das Kraftfahrzeug, weswegen deren Anzahl (im Gegensatz zu den sonstigen Kindern) auch permanent steigt, im Jahr 2001 waren es allein 52.487.000 Stück. Leider wurden durch einige von ihnen 6.977 Menschen getötet, die Zahl nimmt zum Glück von Jahr zu Jahr ab. Zur finanziellen Bewältigung von Unfällen wurden deshalb im Jahr 2000 auch beispielsweise über 13 Milliarden Euro für Unfallversicherungen ausgegeben, fast 134 Milliarden sogar für die gesetzliche Krankenversicherung. Ein weiterer auffälliger Unterschied zwischen den Menschen und dem Vieh in Deutschland ist, daß jene straffällig werden "im Jahr 2000 begingen 2.140.538 Tatverdächtige (davon 26,3 Prozent Ausländer) insgesamt 6.264.723 Straftaten", während dieses ohne eigenes Verschulden zu insgesamt 5.460.000 Tonnen "Schlachtmenge" verarbeitet wird. Für die Menschen in Deutschland spricht allerdings, daß sie sich seltener ermorden oder totschlagen (2.770 mal), als sie sich liebhaben: 418.550 mal wurde 2000 geheiratet, leider hält die Liebe nicht immer dauerhaft, so daß auch 194.630 "gerichtliche Ehelösungen" zu verzeichnen waren. Neben der Liebe gehören auch die Arbeit und das Geldverdienen zum Leben, weswegen 36,82 Millionen im Jahr 2001 erwerbstätig waren. Im Gegensatz zu den Schweinen nahmen die Beamten zahlenmäßig ab, die Angestellten wurden mehr. Für unser täglich Brot sorgen die landwirtschaftlichen Betriebe, die laut Statistik immer weniger werden (449.000), aber mehr Getreide produzieren (49.709.000 Tonnen). Da der Mensch bekanntlich nicht vom Brot allein lebt, betrug die Weinmosternte des letzten Jahres immerhin 9.081.000 Hektoliter. Das freut auch Vater Staat, dem daraus 457 Millionen Euro Schaumweinsteuer (die gibt es also noch!) in den Schlund fließen. Bei 1.203.888 Millionen Euro Schulden in den öffentlichen Haushalten ist das jedoch ein "wenn auch prickelnder" Tropfen auf den heißen Stein. Eine gewisse Affinität wird den Germanen zum Wald nachgesagt, weswegen es in Deutschland neben 8.984.000 Hektar gewerblich genutzter Forstfläche (mit einem Holzeinschlag von 49.116.000 Kubikmetern ohne Rinde) auch noch 7.285 Quadratkilometer Nationalparke, 75.507 Quadratkilometer Naturparke und 237 Quadratkilometer Naturwaldreservate gibt. Die Schönheit des Landes schätzten 2001 auch 107.393.000 Touristen, deren Zahl gegenüber dem Vorjahr jedoch leider wieder etwas zurückging, nachdem sie zuvor stetig gestiegen war. Bei ausländischen Reisenden zählten nach wie vor die Großstädte Berlin, München und Hamburg zu den beliebtesten Zielen.

Apropos Freizeit: Insgesamt 1.186.778 Studenten waren im Wintersemester 2001/02 an deutschen Hochschulen immatrikuliert. Daraus ergibt sich, daß die Anzahl der Rindviecher die der angehenden Akademiker um ein zwölffaches übertrifft, was die Bildungsmisere hierzulande wieder einmal vor Augen führt. Wer noch tiefer in die Materie einsteigen möchte, erhält zum Preis von 65 Euro das circa zwei Kilo schwere Werk (so die Küchenwaage des Rezensenten) aus der Wiesbadener Zahlenschmiede, für weitere 29 Euro gibt es noch das "Statistische Jahrbuch für das Ausland", welches auf 368 Seiten die Stellung Deutschlands zu seinen Partnerländern erhellt und zahlreiche Ländervergleichstabellen aufweist. Den zwei Bänden im Schuber ist noch eine CD-ROM beigefügt.


 
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