© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
Meldungen

Osteuropa beginnt nicht am Wenzelsplatz

GÖTTINGEN. Eine aufschlußreiche Analyse der Entwicklung des Böhmen- und Tschechenbildes in der deutschen und westlichen Gesellschaft, aber auch des tschechischen Selbstbildes, hat der Slawistikprofessor Peter Bugge vorgelegt. In seinem Aufsatz "'Land und Volk' - oder: 'Wo liegt Böhmen?' Wandlungen der geistigen Geographie" (Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, Heft 3/2002) verdeutlicht er, daß die bewußtseinsmäßige Verdrängung Böhmens aus der politischen Geographie Mitteleuropas bereits lange vor dem Kalten Krieg im Keim angelegt war. Entscheidende Grundlage dieses Vorgangs sei die Verbindung eines aufklärerischen und eines "völkischen" Europadiskurses gewesen. Das aufgeklärte West- und Mitteleuropa habe den Europabegriff für sich reklamiert, um sich als zivilisatorisches Zentrum gegenüber "Osteuropa" abzugrenzen. Später sei diese Denkfigur mit dem Bild eines von Romanen und Germanen begründeten "Europa" verstärkt worden. Dabei sei es zunehmend zu einer Identifizierung Osteuropas mit den Slawen gekommen, die häufig als Träger negativer, "europafremder" Merkmale empfunden wurden.

 

Verfassungswidrigkeit ohne Parteiverbot

BERLIN. Mit Blick auf das NPD-Verbotsverfahren plädiert der Politikwissenschaftler Armin Scherb für ein Überdenken des gegenwärtigen Demokratieschutzkonzeptes. Da in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik verfassungsfeindliche Parteien nie eine echte Gefährdung ihrer politischen Ordnung darstellten, sei ein Parteiverbot fast immer eine zu weitgehende Reaktion. Es sei daher sinnvoll, das Abwehrkonzept des Grundgesetzes zu modifizieren und flexiblere Instrumente der streitbaren Demokratie zu entwickeln. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Artikel 21,2 Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht sollte seiner Ansicht nach künftig nicht automatisch ein Verbot der betreffenden Partei nach sich ziehen müssen. Hierzu sei eine Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes erforderlich. Eine erste Reaktion vor einem Parteiverbot könnte nach Scherb der Ausschluß von der Wahlkampfkostenerstattung und die Aberkennung der Förderungswürdigkeit über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden sein (Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik, Heft 3/2002).


 
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