© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002


Ruhe vor dem Sturm
von Paul Rosen

Ein Triumph sollte es werden, ein Debakel stand am Ende des Tages. CDU-Chefin Angela Merkel bekam auf dem CDU-Parteitag in Hannover ihre Truppen nicht zusammen. Das offizielle Wiederwahlergebnis für die Pastorentochter in Höhe von 93,7 Prozent der abgegebenen Stimmen täuscht. Denn 160 der knapp 1.000 Delegierten waren während der Wahl gar nicht im Saal und nahmen an der Wahl nicht teil. Rechnet man Merkels Stimmergebnis auf die Gesamtzahl der Parteitagsteilnehmer hoch, kommt die CDU-Chefin auf rund 75 Prozent. Das war eine Abstimmung mit den Füßen gegen die Vorsitzende.

Der subtile Protest ist das erste Zeichen einer heraufziehenden Personaldiskussion und Führungskrise der CDU. Frau Merkel erwies sich in zwei wichtigen Wählergruppen nicht als der erhoffte Magnet. Junge Frauen und Wähler in den neuen Ländern fühlen sich von der CDU nicht angesprochen, obwohl die Partei von einer Frau aus den neuen Ländern geführt wird. Potentielle Nachfolger halten sich bereit. Der von ihr gestürzte Fraktionschef Friedrich Merz sinnt auf Rache, und der hessische Ministerpräsident Roland Koch will 2006 - auch wenn er sich bislang jede öffentliche Äußerung dazu verbietet - Kanzlerkandidat der Union werden. Nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen im Februar wird der Sturm in der CDU losbrechen und kein Posten wird den heutigen Funktionsträgern sicher sein. Die ersten Winde waren in Hannover schon zu spüren.


 
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