© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Ausgeträumt
von Carl Gustaf Ströhm

Ob die "Einigung" zwischen der EU und der Russischen Föderation über die künftige Transitregelung zwischen der Enklave Kaliningrad und dem russischen Mutterland wirklich diesen Namen verdient, oder ob es sich nicht um ein Herausschieben der wirklichen Probleme handelt - das ist eine ungelöste Frage an die Zukunft. Das russische Verhalten in der Frage des ehemaligen Ostpreußens ist klar: Präsident Putin will die Enklave, die ja zugleich auch eine potentielle Militärbasis ist, für Rußland behalten. Ob sich das Königsberger Gebiet in eine "offene" Zone, oder aber wieder in eine potentielle Bedrohung der Nachbarländer und des baltischen Raums - und damit auch in ein Druckmittel gegen die EU - verwandelt, liegt ausschließlich im unergründlichen Ermessen des Kreml.

Russische Bürger dürfen keiner erniedrigenden Visaprozedur unterworfen werden, wenn sie von Rußland nach Rußland reisen wollen. Aber ist Ostpreußen tatsächlich "Rußland"? Manchen deutschen Träumern, die aus Königsberg ein Hongkong an der Ostsee oder gar ein deutsch-russisches Kondominium machen wollten, wurden die Augen jetzt geöffnet. Moskau glaubt an Macht, nicht an Sentimentalitäten. Man wird die neue Transitregelung, inklusive eher phantastisch anmutender Pläne über einen "Hochgeschwindigkeitszug" von Moskau in Richtung Kaliningrad (damit "Illegale" nicht auf litauischem Boden aus dem fahrenden Zug springen können?), genau beobachten müssen. Auch hier steckt der Teufel im Detail - und nicht nur die Litauer müßten dann eine russische Zeche bezahlen.


 
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