© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Mechthild Löhr
Stimme der Wehrlosen
von Peter Freitag

"Es erfordert Mut, sich als Christ zu outen". Mit diesem Satz in zeitgeistigem Deutsch-Englisch bereitete die Unternehmensberaterin Mechthild Löhr im vergangenen Jahr die Teilnehmer eines Kongresses christlicher Führungskräfte auf ihre Bewährung als Christenmenschen im Alltag vor. Denn wie zu Zeiten des frühen Christentums, muß sich der Gläubige - in einer Welt, die ein unbedingtes Christentum in die Nähe einer Psycho-Sekte rückt - wieder erklären.

In weiten Kreisen der Medien und der "aufgeklärten Öffentlichkeit" unpopulär und seltsamerweise sogar im Verdacht der Misanthropie sind die Ziele, für die sich Mechthild Löhr seit dem vergangenen Wochenende an exponierter Stelle engagiert: Nach siebzehn Jahren übergab die Vorsitzende der Lebensschutzinitiative Christdemokraten für das Leben (CDL), Johanna Gräfin von Westphalen, die Führung des Verbandes in jüngere Hände. In Mainz wählte die Bundesversammlung die 1960 in Kempen/NRW geborene Löhr zur ihrer Nachfolgerin.

Die ehemalige Mitarbeiterin der Landeszentrale für Umwelt-Aufklärung Rheinland-Pfalz machte sich 1991 als Unternehmensberaterin "mit christlichem" Einschlag selbständig. So führte sie nicht nur den Bund Katholischer Unternehmer, sondern ist auch Mitautorin eines "Manager-Gebetbuches".

In ihrer Antrittsrede erinnerte die studierte Politologin und Philosophin die Delegierten daran, daß die CDL heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen stünde. Hatte man sich anfangs gegen Abtreibung engagiert, so gilt der Widerstand nun auch der schleichenden Einführung der Euthanasie, und auch "der Kampf gegen das Klonen von Menschen, gegen verbrauchende Embryonenforschung und Präimplatationsdiagnostik (PID) muß geführt werden", so Löhr.

Dabei können die CDL als eigentlich "unionsnahe" Organisation heute mitnichten mehr auf die unbedingte Unterstützung ihrer "Mutterparteien" rechnen. Denn von den einstmals gemeinsamen christlichen Grundsätzen sind die C-Parteien inzwischen weit entfernt. Das zeigten die Bundestags-Abstimmungen zur Bioethik 2001 ebenso wie die Zustimmung zum sogenannten Abtreibungskompromiß, der 1995 die Fristenregelung der untergegangenen DDR de facto in bundesdeutsches Recht übernahm. So sind im vergangenen Jahr hierzulande 134.964 Abtreibungen gezählt worden, von denen weniger als 50 kriminologisch und gerade dreieinhalbtausend medizinisch indiziert waren.

Und auch das Ansinnen mancher Unionsprominenz, sich den Grünen anzudienen, verheißt nichts Gutes, da diese "Bewegung", die nicht müde wird, Kröten über die Straße zu tragen, gleichzeitig die straffreie Abtreibung als gesellschaftlichen Fortschritt feiert. Löhr erinnerte deshalb an die besondere Verantwortung der CDL, "als Christen ihre Stimme zu erheben" - weil die, um die es geht, schließlich keine Stimme haben.


 
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