© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Für einen europäischen Patriotismus
Paneuropa-Jugend Deutschland: Ein Beitritt der Türkei würde die Europäische Union enteuropäisieren / Scharfe Kritik am Fortbestand der Benes-Dekrete
Peter Freitag

Mit der Aufnahme von zehn weiteren Mitgliedstaaten bis 2004 steht die Europäische Union vor ihrer bisher größten Herausforderung und rückt damit der vor 80 Jahren entstandenen Vision einer Paneuropa-Bewegung ein gutes Stück näher.

Unter diesem thematischen Schwerpunkt traf sich am Wochenende die Paneuropa-Jugend Deutschland (PEJ) zu ihrem letzten Bundeskongreß im niedersächsischen Hameln. Der Tagungsort war mit Bedacht gewählt, da von der in der Nähe gelegenen Reichsabtei Corvey zur Zeit Ludwigs des Frommen die Christianisierung Nordeuropas durch fränkische Mönche betrieben worden war.

Auch die Weserstadt selbst gilt als Ausgangspunkt einer Ostkolonisation. Mit solchen historischen Bezügen möchte der Verband die Wurzeln eines europäischen Bewußtseins ergründen, so die Organisatoren.

Turnusgemäß wählte der Verband für die nächsten zwei Jahre einen neuen Vorstand, an dessen Spitze der 30jährige Rechtsanwalt Thomas Demel aus Dillingen in seinem Amt bestätigt wurde. Zu seinen Stellvertretern wurden die Hamburgerin Kerstin Claußen, Jesko von Samson-Himmelstjerna aus Berlin, Clemens Raab aus Stuttgart und der Regensburger Jürgen Hecht bestellt. Weitere Posten erhielten Monika Walter sowie die beiden sächsischen PEJ-Mitglieder Denise Kieschnick und Ralph Schreiber. Zum Ehrenvorsitzenden kürte die PEJ ihren Gründer, den jetzigen Präsidenten der Paneuropa-Union, Bernd Posselt. In einer Grundsatzrede begrüßte Demel die Ausarbeitung einer europäischen Verfassung durch den Konvent als Schritt zu mehr Integration statt lediglich Kooperation. Er forderte, daß auch in dieser Verfassung die Grundrechte und ein deutlicher Bezug auf das Christemtum als gemeinsame Grundlage verankert sein müßten: "Für uns ist Europa nicht nur eine riesige Freihandelszone, Europa hat eine Seele", so Demel. Neben notwendigen inneren Strukturreformen sei vor allem eine Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik notwendig, die Europa zu einer Friedensmacht, zu einem "Leuchtturm der Freiheit" machen solle.

Im Rahmen eines Seminargesprächs hatten die Teilnehmer zuvor unter anderem mit dem Vizepräsidenten der Paneuropa-Union, Dirk Voß, über einen "europäischen Patriotismus" diskutiert. Dabei kamen auch kontroverse Ansichten über die zukünftige Bedeutung der Nationalstaaten zur Sprache.

Beifall erhielt Voß für einige kritische Anmerkungen zum sogenannten "Krieg gegen den Terrorismus", der beispielsweise im Falle des russischen Vorgehens gegen die Selbstbestimmung der Tschetschenen als Deckmantel für Imperialismus und Menschenrechtsverletzungen herhalte. Höhepunkt des Kongresses war am Sonntag eine öffentliche Kundgebung mit dem PEU-Präsidenten Bernd Posselt (MdEP). Auch Posselt betonte die herausragende Bedeutung der neuen EU-Beitritte, die in Qualität und Quantität ohne Vorbild seien. Es sei jedoch im eigentlichen Sinne keine Erweiterung, sondern die "Europäisierung Europas".

Der Abgeordnete betonte, daß für die Paneuropa-Bewegung nicht die Erweiterung, sondern immer die über 40jährige Teilung Europas künstlich war. Er mahnte jedoch, daß die wesentlichen und schwierigen Aufgaben erst nach dem Beitritt der Kandidaten begönnen und kritisierte, daß vorher notwendige Strukturreformen nicht vollendet und Betrittskriterien weichgespült worden seien.

Posselt, der auch Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft ist, verurteilte noch einmal den Fortbestand der Benes-Dekrete in der Tschechischen Republik, die das Wesen der Union als Rechtsgemeinschaft untergraben. Deutliche Worte fand er auch gegen einen Beitritt der Türkei in die EU: Dies würde die Europäische Union enteuropäisieren und zu einer bloßen Freihandelszone degradieren. "Die EU ist ein Bund europäischer Demokratien, die Türkei liegt mehrheitlich außerhalb Europas!" Ein Beitritt werde vor allem durch die USA gefordert, die dies für ihre Sicherheitspolitik und zur Schwächung der EU benutzen möchten. Posselt sprach sich demgegenüber für eine lose Assoziierung der Türken aus, die eine Brückenfunktion in den Nahen Osten übernehmen könnten.

In Zukunft gelte es als große Aufgabe, die "vergessenen" europäischen Völker zu unterstützen, die noch nicht beitrittsreif seien, wie die Weißrussen, Ukrainer und die Balkanvölker. Ausdrücklich bedauerte er, daß die Kroaten noch nicht zu den Kandidaten gehören, obwohl sie Kriterien zum Teil besser erfüllten, als einige derzeitige Beitrittstaaten.

Die deutsche Paneuropa Jugend forderte der Europaparlamentarier auf, sich mit ganzer Kraft den Herausforderungen der zukünftigen Politik zu stellen: "Paneuropa ist nicht nur eine Nebenbeschäftigung unter vielen, sondern erfordert den ganzen Menschen!"


 
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