© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Neue Technologien: Jan Hendrik Schön entlarvt
Vorbildliche Publikationsliste
Angelika Willig

Jung, deutsch, gutaussehend und ein Spitzenphysiker? Da mußte doch etwas faul sein. Gleich nach seiner Promotion gelangte Jan Hendrik Schön (!) an die renommierten Bell Laboratories in New Jersey, um mit dem Physiker Bertram Batlogg an nanotechnischen Projekten zu arbeiten. Nanotechnik, die Entwicklung von Geräten in winzigsten Dimensionen, ist zur Zeit das Modernste, was die Physik zu bieten hat, und Batlogg ist von einer selbst unter Wissenschaftlern herausragenden Eitelkeit. Am liebsten sitzt er im Flugzeug und spricht auf Kongressen. Das geht aber nur, wenn sein Schützling Jan (eher ein stiller Typ) im Labor die neuesten Sensationen erzeugt. Etwa einen Transistor, der nur aus einem einzigen Molekül besteht. Auf diese Weise veröffentlichten die beiden in zweieinhalb Jahren 17 Aufsätze in den führenden Fachzeitschriften Nature und Science und zählten für viele schon zu den Nobelpreisanwärtern.

Zeitschriften, nicht Bücher sind heute der Ort wissenschaftlicher Präsentation. Jeder Aufsatz tritt mit dem Anspruch einer eigenen Forschungsleistung auf, hinter der selbstverständlich auch empirische Daten stehen. Weil die Anforderungen der Zeitschriften hoch sind, gilt die Zahl der Veröffentlichungen als klares Indiz für die Qualität eines Wissenschaftlers.

Wie bei dem Psychiatrie-Hochstapler Gert Postl begannen die Schwierigkeiten mit einer anstehenden Beförderung. Das Max-Planck-Institut für Festkörperphysik warb um die Rückkehr des erst 32jährigen Schön als Direktor nach Stuttgart, doch der kam mit Einwänden. Frühestens 2003 käme ein Wechsel für ihn in Frage. In Wirklichkeit, da ist Max-Planck-Forscher Klitzing sich jetzt sicher, befürchtete Schön eine genauere Kontrolle durch die Stuttgarter. Immer noch der Ruf deutscher Wertarbeit?

Ein anonymer Hinweis machte schließlich die (kommerziellen) Betreiber der Bell Labs mißtrauisch. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt, die Ende September in 16 von 24 Fällen eine Fälschung von Daten nachweisen konnte - obwohl Schön alle Aufzeichnungen und Computereinträge "verloren" oder "aus Versehen gelöscht" hatte. Erst jetzt zieht Schön, der inzwischen entlassen wurde, seine Aufsätze offiziell zurück.

Was hat er nun eigentlich gemacht? Wie in den Wirtschaftskrimis ist das für Laien kaum nachzuvollziehen. Einmal heißt es, bestimmte Messungen seien bei unterschiedlicher Fragestellung mehrmals verwendet worden. Dann wird sogar behauptet, Schön habe sich die Meßergebnisse zum Teil "einfach ausgedacht". Wie alle arbeitslosen Ausländer ist Jan Hendrik aus den Vereinigten Staaten bereits nach einer Woche brutal ausgewiesen worden. Wir raten ihm zum Umsatteln auf Literaturwissenschaften oder besser noch "Creative Writing". Dann hätte sich der Amerika-Aufenthalt vielleicht doch noch gelohnt.


 
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