© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002

 
PRO&CONTRA
Friedhofszwang aufheben?
Rolf-Peter Lange / Rolf Lichtner

Das traditionelle Bestattungsverhalten, die über Jahrhunderte hin entwickelten Einstellungsmuster zur Sargbestattung auf dem Friedhof und bewährte Riten lassen erwarten, daß durch deren Verwurzelung in der Bevölkerung nur wenige Menschen von diesen neuen Bestattungspraktiken auch tatsächlich Gebrauch machen würden. Andererseits hält es der Verband Deutscher Bestattungsunternehmen e.V. (VDB) dennoch für wichtig, auch hier lebenden Minderheiten einen legalen Gestaltungsrahmen für Beerdigungsriten anderer Art zu schaffen. Die bisher durchgeführten, in Deutschland illegalen Praktiken (anders als in den europäischen Nachbarländern), wären damit legalisiert. Wichtig ist, daß den Menschen durch die beabsichtigte Öffnung das Gefühl vermittelt würde, "daß man es könnte, wenn man es wollte". Jeder soll nach seiner Facon selig werden - dies ist der Grund der beabsichtigten Reformen.

Die Angleichung an die meisten EU-Mitgliedsstaaten ist vernünftig und längst überfällig. Im Rahmen der europäischen Rechtsangleichung hätte Deutschland sich ohnehin an die in den meisten EU-Staaten geltenden Regelungen angleichen müssen. Eine "Durchlöcherung" des Friedhofszwangs in unserem Land hat sich in den letzten Jahren durch die Einführung verschiedener Bestattungsarten sowieso ergeben, zum Beispiel durch die Seebestattung, die kombinierte Luft-/See-Bestattung, die Beisetzung in einem "Friedwald" oder die Aschenverstreuung auf einer Aschenstreuwiese.

Der VDB begrüßt deshalb die Bestrebungen in Nordrhein-Westfalen, den individuellen Wünschen der Bürger entgegenzukommen und die Abschaffung von Reglementierungen und Vorschriften zu forcieren. Die große Anzahl von bürokratischen Verordnungen und Bestimmungen auch im Bestattungswesen stoßen in der Bevölkerung auf immer weniger Akzeptanz. Mehr Freiräume für selbstbestimmte Entscheidungen mündiger Bürger werden geschaffen.

 

Dr. Rolf-Peter Lange ist Vorsitzender des Verbandes Deutscher Bestattungsunternehmen e. V. (VDB).

 

 

Der Entwurf bricht in einigen Punkten mit der bisherigen christlich orientierten Bestattungskultur. Auch wenn eine Öffnung zu fremden Bestattungsriten aufgrund der Vielzahl der in Deutschland vertretenen Kulturen wünschenswert ist, sollte dies nicht dazu führen, daß das Verhältnis von Regel und Ausnahme verkehrt wird.

Der Entwurf des Bestattungsgesetzes ist im Vergleich zu anderen landesgesetzlichen Regelungen unsystematisch und gesetzestechnisch unzulänglich, baut unnötige bürokratische Hürden für Angehörige und für die in der Bestattung und Friedhofspflege tätigen Gewerke auf und delegiert landeseinheitlich zu regelnde Materien an die Gemeinden. Er bedarf deshalb einer gründlichen Überarbeitung, um ein praktikables Gesetz verabschieden zu können. Dringend einer Überarbeitung bedarf zum Beispiel die Aufhebung der Beisetzungspflicht für Urnen.

Es ist vorgesehen, daß die Totenasche mit Genehmigung der örtlichen Ordnungsbehörde Hinterbliebenen ausgehändigt werden darf. Damit wird der bisher bestehende Friedhofszwang für die Beisetzung von Urnen aufgehoben und in die beliebige Verfügbarkeit der Angehörigen - verbunden mit einem erhöhten Bürokratieaufwand - übertragen. Die im Entwurf vorgesehenen Einschränkungen sind nicht geeignet, einen würdigen Umgang mit der Totenasche und die Wahrung des Persönlichkeitsrechts des oder der Verstorbenen sowie der Totenruhe sicherzustellen. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, in denen der Friedhofszwang für die Beisetzung von Urnen nicht besteht, belegen, daß Mißbrauch nicht selten vorkommt. Durch die Möglichkeit, die Asche Verstorbener auszustreuen, wird diese Mißbrauchsmöglichkeit noch erhöht. Der Bundesverband deutscher Bestatter spricht sich deshalb nachdrücklich für die Beibehaltung des Friedhofszwanges für die Urnenbeisetzung aus.

 

Dr. Rolf Lichtner ist Geschäftsführer des Bundes Deutscher Bestattungsunternehmer (BDB).


 
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