© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002

 
"Unverhohlene Annäherung an braune Ressentiments"
Medien: Das JF-Interview mit Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm hat heftige Reaktionen von Politikern hervorgerufen
Steffen Königer

Das Interview, das der CDU-Politiker Jörg Schönbohm in der vergangenen Woche dieser Zeitung gegeben hatte (JF 47/02), hat heftige Reaktionen von Bundes- und Landespolitikern hervorgerufen. Die Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der Bündnisgrünen Brandenburgs, Cornelia Behm, forderte laut Titelseite der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) den Rücktritt des Innenministers. Dieser habe "den Grundkonsens demokratischer Parteien im 'Kampf gegen Rechts' in Frage gestellt", erklärte die Grünen-Politikerin. Ihre Partei konnte bei der letzten Landtagswahl 2,5 Prozent erringen. Schönbohm verhöhne mit seinen "ungeheuerlichen Äußerungen" das Engagement gegen den Rechtsextremismus, verdrehe "in schamloser Weise Ursache und Wirkung", so Behm.

Am Dienstag hat sich überraschend Rolf Wischnath, Generalsuperintendent und Vorsitzender des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, hinter den Minister gestellt. Dieser würde dem Rechtsextremismus "unnachgebig gegenübertreten", hieß es wiederum auf der Titelseite der PNN. Joachim Gessinger, Vorstandsmitglied der märkischen Grünen und Germanistikprofessor an der Potsdamer Universität, warf Schönbohm dagegen "unverhohlene Annäherung an braune Ressentiments" vor.

Matthias Platzeck, SPD-Ministerpräsident von Brandenburg, reagierte kühl. Der Märkischen Allgemeinen sagte er, Schönbohms Ansichten seien bekannt und unterschieden sich deutlich von seinen, man müsse aber nicht jede Interview-Äußerung kommentieren.

Heftige Reaktionen kamen von der PDS. Lothar Bisky, Ex-Bundeschef der Postsozialisten und Fraktionsvorsitzender im Potsdamer Landtag, äußerte in der Märkischen Oderzeitung Zweifel an "der Haltung der Landesregierung bezüglich des Kampfes gegen Nazis." Der Minister verantworte "einen Verfassungsschutz, der mit Rechtsextremisten kungelt und Morddrohungen per CD verbreiten läßt", so Bisky am Dienstag in Potsdam. Schönbohm habe zudem in einem Ton von "Antifaschisten" gesprochen, der die "Arroganz eines Generals der Besatzungsmacht" offenbare. Nach Ansicht der innenpolitischen Sprecherin der PDS-Fraktion, Kerstin Kaiser-Nicht, die aufgrund ihrer Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit sehr umstritten war, ist Schönbohm "im rechtsradikalen Sumpf steckengeblieben."

Kurz vor Redaktionsschluß der JUNGEN FREIHEIT wurden Äußerungen von Claudia Roth und Außenminister Joseph Fischer bekannt. Grünen-Chefin Roth forderte eine Entschuldigung des brandenburgischen Innenministers für seine Kritik am "Aufstand der Anständigen". "Schönbohm stellt sich außerhalb des Konsenses der Demokraten, die den Kampf gegen Rechtsextremismus zur gemeinsamen Sache machen", erklärte Roth am Dienstag in Berlin gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Roth nannte Schönbohm einen "Politiker von vorgestern", dem das politische Koordinatensystem abhanden gekommen sei.

Fischer kommentierte die Äußerungen lediglich mit den Sätzen: "Dazu fällt mir nichts ein. Das kann ich nicht nachvollziehen." Steffen Königer


 
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