© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002

 
Rückweisung in sichere Drittstaaten
Schweiz: Die Volksinitiative "gegen Asylrechtsmißbrauch" stößt auf breiten Widerstand in Parteien und Verbänden
Jörg Fischer

Kommenden Sonntag sind die Schweizer aufgerufen, über die Eidgenössische Volksinitiative "gegen Asylrechtsmißbrauch" abzustimmen. Auf Antrag der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP) soll Artikel 121 der Bundesverfassung ergänzt werden:

"Zur Verhinderung von Asylrechtsmißbrauch beachtet der Bund unter Vorbehalt der völkerrechtlichen Verpflichtungen insbesondere folgende Grundsätze:

- Ist der Asylsuchende aus einem sicheren Drittstaat in die Schweiz eingereist, wird auf ein Asylgesuch nicht eingetreten, wenn der Asylsuchende im Drittstaat ein Asylgesuch gestellt hat oder hätte stellen können.

- Der Bundesrat legt eine Liste sicherer Drittstaaten fest (...).

- Gegen Fluggesellschaften (...), welche die Schweiz anfliegen und die geltenden Vorschriften der Mitwirkung bei der Kontrolle der Einreisevorschriften nicht einhalten, werden Sanktionen ergriffen (...)

- Fürsorgeleistungen an Asylsuchende werden einheitlich für die ganze Schweiz und abweichend von den allgemeinen Normen angesetzt. Sie werden in der Regel durch Sachleistungen erbracht. (...)

- Asylsuchende, deren Gesuch abgelehnt (...) wurde, und bei denen der Vollzug der Wegweisung möglich, zulässig und zumutbar ist, sowie vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht grob verletzen, erhalten bis zu ihrer Ausreise staatliche Fürsorgeleistungen nur im Werte einfacher Unterkunft und Verpflegung sowie ärztlichen und zahnärztlichen Notfalldienst.

- Erwerbstätigkeiten sind ihnen nur im Rahmen von staatlichen Beschäftigungsprogrammen erlaubt."

Laut Umfragen unterstützen derzeit fast 57 Prozent der Stimmberechtigten die Verfassungsänderung - 1996 wurde eine ähnliche Volksinitiative "gegen die illegale Einwanderung" noch mit 53,6 Prozent abgelehnt. Fast alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen - angefangen von den Mitte-Links-Parteien einschließlich Bundespräsident Kaspar Villinger über Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände bis hin zu Kirchen und den Medien - lehnen die neue Asylvorlage hingegen vehement ab. Die SVP-Initiative sei "ausländerfeindlich" und nicht mit dem Völkerrecht vereinbar.

Hauptargument aber ist: es sei nicht möglich, in die Schweiz Eingereiste wieder auszuweisen, weil die Nachbarländer nicht bereit seien, diese zu übernehmen. Die SVP bestreitet dies, mit Deutschland, Österreich, Frankreich und selbst mit Italien würden "Rückübernahme-Abkommen" bestehen.

Allein im vergangenen Jahr verursachte das schweizerische Asylwesen direkte Kosten von 883 Millionen Franken - nicht gerechnet die Ausgaben für Schule, Gesundheit und Justiz. Die Asylanerkennungsquoten liegen unter zehn Prozent. Letztes Jahr erhielten 2.253 Personen Asyl - lediglich 747 davon waren "verfolgt", 1.506 waren Familienangehörige. Im Juni 2002 befanden sich insgesamt etwa 130.000 Ausländer in den verschiedenen Asylbereichen. Im Jahresdurchschnitt 1994 - 2001 gab es 279 Asylanträge pro 10.000 Einwohner, in Deutschland waren es lediglich 102, in Frankreich gar nur 38.

Die Schweiz hat den Ruf, besonders großzügig für Asylanten zu sorgen. Seit Einführung der obligatorischen Krankenversicherung für Asylsuchende sind die Kosten explodiert. Auch das angestrebte Arbeitsverbot hat seinen Grund: Arbeitgeber nutzen die im Vergleich zu Schweizern oder EU-Bürgern billigeren zusätzlichen Arbeitskräfte gern - angesichts einer Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent durchaus nachvollziehbar.


 
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