© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002


Parteitag der Planspiele
CSU-Parteitag: Hinter den Kulissen wenig Zutrauen in Angela Merkel / Merz und Koch stehen in den Startlöchern
Paul Rosen

Wenn man Angela Merkel und Edmund Stoiber auf dem CSU-Parteitag in München so reden hörte, dann scheint die Welt der Union in Ordnung zu sein. "Geschlossenheit ist kein Selbstzweck", war von der CDU-Chefin während ihres Grußwortes an die 1.000 Delegierten in der Messehalle zu hören. Die bürgerlichen Kräfte in Europa hätten nur eine Chance, wenn sie zusammenhalten würden. Auch Edmund Stoiber schlug in diese Kerbe: "Man braucht doch keine Strategiedebatte, wenn man weiß, was die Ursachen der Niederlage sind." Die Ursachen der Wahlniederlage vom 22. September, die Elbeflut und die Kriegsdiskussion, waren nach Ansicht des CSU-Chefs nicht steuerbar. Doch die schöne Harmonie, die die beiden Unionsführer verbreiteten, hat ihre Schattenseiten.

Denn am Abend, als Frau Merkel schon wieder im Flugzeug Richtung Norden saß und die Delegierten bei viel Bier, Radi und dem obligatorischen Schweinsbraten unter sich waren, wurden führende CSU-Leute deutlicher: Viele geben Frau Merkel keine Chance, lange ihre Doppelfunktion von Partei- und Fraktionsführung in Berlin auszuüben. Der CDU-Chefin, so war da zu hören, gelinge es nicht, die breite Schicht der Unionswähler zu integrieren. Es ist ein offenes Geheimninis, daß viele ältere Stammwähler der CDU den Rücken zugekehrt haben. Viele Frauen konnten sich nicht für die CDU begeistern, obwohl deren Vorsitzende eine Frau ist. Und bei den Bürgern in den neuen Ländern stürzte die Partei regelrecht ab, obwohl die Vorsitzende aus den neuen Ländern stammt.

Auf dem CSU-Parteitag wurde ein Szenario gemalt, nach dem der hessische Ministerpräsident Roland Koch, wenn er denn seine Landtagswahl am 2. Februar gewinnt, den Kampf gegen die unbeliebte Vorsitzende aufnehmen wird. Erst könnte sich die Auseinandersetzung um Sachfragen ranken. Die bisher nicht einmal eröffnete Strategiedebatte dürfte von Koch dann aufgenommen werden. Parallel dazu wird erwartet, daß der von Frau Merkel gestürzte frühere Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz in Berlin die Auseinandersetzung mit seiner innerparteilichen Rivalin beginnen wird. Schon verbreitet Merz in Hintergrundgesprächen mit Journalisten dumpfe Drohungen. Die Parteichefin habe auch den Fraktionsvorsitz gewollt; jetzt solle sie mal beweisen, daß sie beide Ämter führen könne. Und gegenüber Abgeordnetenkollegen läßt Merz keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, daß die Fraktionsvorsitzende bereits in einem Jahr wiederzuwählen ist. Seit dem CDU-Parteitag in Hannover, wo bei der Wiederwahl von Frau Merkel 160 Delegierte nicht anwesend waren und damit subtil ihren Protest gegen sie zum Ausdruck brachten, gilt die Stellung der Parteivorsitzenden ohnehin als geschwächt.

Daran haben die Bayern traditionell ihre heimliche Freude, auch wenn Stoiber offiziell Stillschweigen und wohlmeinende Worte über die Schwesterpartei verordnet hat. Gerade die Wahl von Merz in die Partei- und Fraktionsführung garantiert der CSU, daß sich die CDU nie einig sein wird. Auch deshalb hat man sich in München so massiv für Merz eingesetzt, obwohl Stoiber zunächst an seinem Sturz mitwirkte.

Daß die wegen ihrer Steuer- und Abgabenerhöhungen sowie gebrochener Wahlversprechen in Bedrängnis gekommene rot-grüne Koalition in Berlin zerbricht und damit Frau Merkel plötzlich und unerwartet Bundeskanzlerin werden könnte, wird in der CSU nicht erwartet. Zu sicher erscheint die rot-grüne Mehrheit im Bundestag, so daß in der CSU allenfalls damit gerechnet wird, daß Kanzler Gerhard Schröder nach einer verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen zurücktreten könnte. Als möglicher Nachfolger käme der Minister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement (SPD) in Betracht.

Im Kampf gegen Schröder, der sich zunehmend auch innerparteilicher Kritik erwehren muß, will die Union mithelfen und in Berlin einen Untersuchungsausschuß des Bundestages installieren, der Schröders Wahlbetrug aufarbeiten und dokumentieren soll. Es wird erwartet, daß der Ausschuß Regierungsakten besorgen und publizieren kann, aus denen eindeutig hervorgeht, daß Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel (SPD) lange vor der Wahl über das wahre Ausmaß der Lage der Steuer- und Sozialkassen informiert waren. "Dem bleibt in letzter Konsequenz nur der Rücktritt", freut sich Stoiber bereits über die Zukunftsaussichten des amtierenden Bundeskanzlers. DerBayernfürst könnte recht behalten.


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