© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
Front gegen Mölleman
FDP: Der ehemalige NRW-Landesvorsitzende ist ultimativ aufgefordert werden, die Partei zu verlassen / Parteichef Westerwelle unter Druck
Ronald Gläser

Die FDP ist spätestens seit der Bonner Wende auch als Umfallerpartei bekannt. Diese Begrifflichkeit erklärt auch den schnellen Wechsel, den die Funktionärsebene der Liberalen jetzt vollzogen hat. Jürgen Möllemann, gestern noch der gefeierte Erfinder des "Projekt 18", droht heute der Parteiausschluß.

Am Montag herrschte im Bundesvorstand der Partei große Einigkeit, daß der ehemalige Parteivize ultimativ zum Austritt aufgefordert werden soll. Bei Zuwiderhandeln wurde ihm nach einer Frist von einer Woche ein Ausschlußverfahren angedroht.

Nun waren die Anhänger Möllemanns in der obersten FDP-Etage ohnehin spärlich gesät. Aber auch in seiner politischen Heimat, Nordrhein-Westfalen, sprach sich die Landespartei für diese Vorgehensweise aus. Zu diesem Zweck waren Günter Rexrodt und Guido Westerwelle extra nach Düsseldorf geeilt. Auch ohne daß Rexrodt substantielle Vorwürfe vorlegen konnte, setzte sich Westerwelle mit seiner Forderung durch. Die eben noch lakaienhaft ihrem Vorsitzenden Möllemann dienenden NRW-Liberalen sprachen sich für seinen Ausschluß aus. Nur ein Vorstandsmitglied stimmte dagegen, drei enthielten sich der Stimme.

Was hatte Westerwelle dem NRW-Vorstand der Liberalen Neues zu bieten? Nichts. Inzwischen verzieht sich der Nebel, da Möllemanns Anwälte der Staatsanwaltschaft eine siebzehnseitige Stellungnahme haben zukommen lassen. Die vielen Unterstellungen treffen alle nicht zu.

Möllemann hat privat rund eine Million Euro von einem Privatkonto, zu dem nur er Zugang hatte, für die Finanzierung seines Flugblattes eingesetzt. Selbst wenn dies als Sachspende gewertet würde, so liegt noch immer kein Verstoß gegen den Paragraph 31d des Parteiengesetzes vor. Betrugsversuch scheidet ebenso aus, weil Möllemann niemals versucht hat, staatliche Zuschüsse zu kassieren. Diese hätten bei Spenden unterhalb von 3.000 Euro 38 Cent pro Euro betragen. Auch für Geldwäsche fehlt die Grundvoraussetzung, nämlich eine kriminelle Vortat. Untreue war es auch nicht, weil es sich um das Privatvermögen Möllemanns und eben nicht um FDP-Gelder gehandelt hat. Und Steuerhinterziehung war es auch nicht, weil Möllemanns Einnahmen nach bisherigen Erkenntnissen ordnungsgemäß versteuert worden sind.

Hinter verschlossenen Türen muß der Bundesvorsitzende alle Register der politischen Einschüchterung gezogen haben. In der Öffentlichkeit ging er sogar soweit, das Ausschlußverfahren auch gegen den Willen des Landesverbandes anzudrohen.

Nach der Satzung der FDP können beide Gremien, Bundes- wie Landesvorstand, den Ausschluß beantragen. Da die NRW-FDP von Möllemann kontrolliert wurde, dürfte auch die erste Instanz der innerparteilichen Gerichtsbarkeit ihm nahestehen.

Die Schiedsgerichte der politischen Parteien sollten laut Parteiengesetz unabhängige Instanzen sein. Doch das ist nur graue Theorie. In der Praxis werden sie von denselben innerparteilichen Mehrheiten gewählt wie die Mehrheiten, die die Vorstände wählen. Dies gilt insbesondere für die FDP. Sollte das NRW-Landesschiedsgericht sich dem Wunsch des Bundesvorsitzenden widersetzen, so könnte der Bundesvorstand das Bundesschiedsgericht anrufen. Dieses wird geführt von Peter Lindemann, der das fünfköpfige Gremium fest im Griff hat. Und am Ergebnis des Verfahrens kann kein Zweifel bestehen, weil Lindemann die Anordnung Westerwelles strikt befolgt.

Im letzten Jahr wurde während einer solchen Verhandlung nachgewiesen, wie Günter Rexrodt mit verstorbenen und fiktiven Mitgliedern die Mehrheitsverhältnisse seines Landesverbandes manipuliert hat. Lindemann ignorierte objektive Tatsachen und machte sich über die Geschädigten lustig. Das Landgericht Berlin allerdings lachte später den Vertreter Rexrodts aus, als dieser derlei Manipulationen zu erklären versuchte.

So könnte es Westerwelle vor einem ordentlichen Gericht auch gehen, falls die FDP Möllemann ausschließt, und er dann ordentliche Gerichte aufsucht. Diese können eher als unabhängig angesehen werden. Für ein ordentliches Gericht, vom Landgericht über das Oberlandesgericht bis hin zum Bundesgerichtshof, wird es schwer, in Möllemanns Handeln ein parteischädigendes Verhalten Möllemanns zu identifizieren. Es liegt einfach nicht vor. Schwer haben nur Rexrodt und Westerwelle der Partei mit ihren Aktionen geschadet. Um so mehr muß man sich fragen, warum sich Westerwelle zu diesem drastischen Schritt entschlossen hat. Günter Rexrodt hatte seinen Vorsitzenden mehrfach öffentlich vor einem Ausschlußverfahren gewarnt, das zum Debakel für Westwelle werden könnte.

Außerdem drohen Vergeltungsmaßnahmen Möllemanns. Anfang dieser Woche, berichten Insider, hätte Möllemann Westerwelle noch den dezenten Hinweis zukommen lassen, daß er schmutzige Wäsche zu waschen bereit sei. Zweifellos wird Möllemann ausreichend pikante Details kennen, mit denen er seinen Widersachern schaden kann. Westerwelle scheint diese Eskalation aber weniger zu fürchten, als eine weitere Mitgliedschaft seines früheren Stellvertreters.


 
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