© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
WIRTSCHAFT
Angst vor der Unberechenbarkeit
Bernd-Thomas Ramb

Die neue rot-grüne Bundesregierung hat durch unkontrol-lierte Handlungen innerhalb kürzester Zeit eine tiefe und folgenschwere Verunsicherung der Bevölkerung hervorgerufen. Ein besonders beeindruckendes Beispiel ist die Besteuerung der Kapitalgewinne. Schröder und Konsorten haben dabei einen Kardinalfehler begangen, den schon mittelalterliche Staatsführer zu vermeiden wußten. "Rupfe die Gans, ohne zu großes Gänsegeschrei hervorzurufen", lautet der fundamentale Lehrsatz der Finanzpolitik. Finanzminister Eichel hat letztlich genau das Gegenteil erreicht. Zunächst war von einer vollständigen Besteuerung der Aktiengewinne und der Gewinne aus dem Verkauf vermieteter Immobilien die Rede, was im Grenzfall die Konfiskation der Hälfte des Verkaufspreises eines auf Null abgeschriebenen Hauses zur Folge gehabt hätte. Später wurde der Steuersatz auf 15 Prozent festgesetzt, der bei Aktiengewinnen nur hälftig angewandt wird. Bei Immobilien soll grundsätzlich ein Schätzgewinn von zehn Prozent des Verkaufspreises angelegt werden, so daß ein Steuersatz von mageren 1,5 Prozent übrigbleibt. Wenig Federn, die ein Maximum an Geschrei hervorgerufen haben.

Natürlich ist der trotzdem anhaltende Protest berechtigt. Stellt die Kapitalgewinnbesteuerung doch einen gravierenden Wechsel in der Besteuerungsethik dar. Dies zudem in Zeiten schwierigerer Absicherung der Altersversorgung, deren staatliche Garantie praktisch verloren ist. Wie soll der Bürger sonst private Altersvorsorge treffen, wenn nicht durch gewinnbringende Kapitalbildung? Der größte Schaden ist jedoch durch die Verunsicherung entstanden. Dieser Regierung ist nicht mehr zu trauen. Sie ist unberechenbar geworden. Und das verbreitet lähmende Angst.


 
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