© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
Zeitschriftenkritik: Krachkultur
Liebe zum Detail
Werner Olles

Von dem unregelmäßig erscheinenden Literaturmagazin Krachkultur liegt nunmehr die neunte Ausgabe vor. Sie enthält Essays, Prosa- und Lyriktexte. In dem Essay "Anmerkungen zum Realismus" beschreibt der berühmte Autor von Abenteuer-Romanen, Robert Louis Stevenson ("Die Schatzinsel", "Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr.Hyde"), wie der Leser am Schreibstil erkennen kann, ob jemand seine Kunst beherrscht. In der Literatur sei der große Wandel des letzten Jahrhunderts durch die verstärkte Hinwendung zum Detail bewirkt worden. Nachdem der Romantiker Scott diese Liebe zum Detail entdeckt habe, sei sie den Romanciers von dem "Halbromantiker Balzac und seinen gänzlich unromantischen Anhängern" wie eine Pflicht aufgebürdet worden. Diese Detailflut habe nun wiederum eine eigene Dynamik entwickelt, "die bei kindischer Übertreibung zur Entstehung jener Werke führte, die uns heute als Eisenbahnlektüre in Erstaunen versetzen". Diese Realismusdebatte beziehe sich jedoch nicht im mindesten auf eine fundamentale Wahrheit, sondern nur auf die technische Machart eines Kunstwerks. Man dürfe nur nicht schwach werden, sonst riskiere man, langweilig und ausdruckslos zu schreiben; sei man hingegen ehrlich und stark, erschaffe man vielleicht unversehens ein literarisches Meisterwerk.

Der 1945 verstorbene französische Schriftsteller Emmanuel Bove - ein literarischer Außenseiter, dessen Romane und Erzählungen in den achtziger Jahren eine erstaunliche Renaissance erlebten ("Meine Freunde") - schreibt in dem hübschen Essay "Was ich gesehen habe", er empfinde eine "Art Scham beim Schreiben". Er schreibe eigentlich nur, um den Leser zu fragen, was er tun solle, und nicht, um ihn zu zerstreuen oder sein Interesse zu wecken. So erzählt er seine Geschichte, als sei nicht er selbst ihr Held, und legt damit sein Glück in die Hände des Lesers. In der Geschichte geht es um seine engelhafte Freundin Henriette, die der Leser durch das, was der Dichter von ihr erzählt, langsam besser kennenlernt. Vor allem aber geht es natürlich um Liebe, Eifersucht, Zweifel und Traurigkeit. Am Ende jedoch siegt glücklicherweise die Liebe, wenngleich auch der Schmerz nicht ganz verschwunden ist.

Über den Autor Emmanuel Bove schreibt der Literaturkritiker Thomas Laux, daß in Boves Werk die Spuren und gewissermaßen auch die rezeptionellen Ablagerungenrusssischer Dichter wie Dostojewski und Tscheschow herauszulesen sind. Dostojewski habe er beispielsweise einen "Meister des Romans" genannt und 1930 ihm zu Ehren eine kleine Erzählung mit dem Titel "Raskolnikoff" veröffentlicht. Die angedeutete Verbindung Bove/Dostojewski sei mithin keine, die erst durch eine besondere Aufmerksamkeit der literarischen Kritik zustande gekommen wäre. Aber bei einem Autor wie Bove sollte auch klar sein, daß die Paralellisierung die Ausdrucksweise, den Stil mitmeinte.

Daniel Dubbes Text "Kein Interesse für L.A." erinnert in seinen besten Passagen an Jack Kerouacs "On the Road". Wie jener feiert auch Dubbe in spontaner Prosa die modifizierte Romantik junger Leute unterwegs in den USA. Werner Olles

Bunte Raben Verlag. Steinbergshörner Str. 18. 27624 Lintig-Meckelstadt. Die Ausgabe 9 kostet 9 Euro. Internet: www.bunterabenverlag.de 


 
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