© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002


Gerhard Löwenthal
Abschied von einem Giganten
Dieter Stein

Manchmal spielt das Schicksal merkwürdige Streiche. In der vergangenen Woche veröffentlichten wir einen Text für Gerhard Löwenthal zu seinem 80. Geburtstag. Er konnte ihn nicht mehr lesen. Zwei Tage bevor das runde Datum anstand, starb der große Journalist. So haben wir die bittere Pflicht, bereits eine Woche später Nachrufe auf ihn zu veröffentlichen.

An Gerhard Löwenthal haben sich die Geister geschieden. Die einen haßten ihn, die anderen liebten ihn. Ich erinnere mich noch, wie ich als Schüler im Alter von 14 Jahren beigeistert ins Wohnzimmer gestürmt kam, wenn die elektrisierende Erkennungsmelodie des von Löwenthal über 500 Mal moderierten "ZDF-Magazins" ertönte. Gefesselt starrte ich dann auf den Bildschirm, wenn zu der Melodie eine dramatisch oszillierende Amplitudenkurve erschien. Plötzlich setzte sich dazu eine Laufschrift in Bewegung, die dann die Themen des Magazins ankündigte - so wie wir es immer noch beim "heute-journal" im ZDF ist.

Gebannt haben wir als westdeutsche Zuschauer auf die Berichte von "drüben" geschaut. Die aufrüttelnden Reportagen über den Ausbau der Grenzsicherungsanlagen der DDR an der innerdeutschen Grenze, die Berichte über die katastrophale wirtschaftliche Lage der DDR, über nachrichtendienstliche Versuche politischer Einflußnahme auf die westdeutsche politische Szene - sie sahen wir mit großem Interesse.

Währenddessen machte sich in den achtziger Jahren eine schwiemelige Appeasement-Stimmung gegenüber den "Realitäten" im geteilten Deutschland breit. Auf allen Kanälen, in allen Zeitungen, in allen Parteien hatten fast nur noch diejenigen das Sagen, die das "Sichabfinden" mit den "Zuständen" predigten. Löwenthal war hier gleichsam der antikommunistische Abraham a Sancta Clara, der allein durch Beschreibung der Wirklichkeit politische Gegner zur Weißglut bringen konnte.

Etwas amüsierter verfolgten wir die ins propagandahaft-proamerikanische lappenden Beiträge in der heißen Phase des Nato-Doppelbeschlusses, die Berichte über deutsche Sicherheits- und Außenpolitik. Hier war Löwenthal ein kompromißloser Atlantiker, der nach der Formel "Freiheit geht vor Einheit" denjenigen Munition lieferte, die bereit waren, die deutsche Einheit zugunsten bedingungsloser Westbindung zu opfern.

Angesichts lächerlicher Hauser-Kienzle-Sendungen, deren "konservativ-rechter" Gehalt mikroskopisch nicht mehr meßbar ist, weiß man, welche Lücke Löwenthal im Fernsehen hinterlassen hat. Zweifellos hatte er eine Rolle, die der politischen Phase des Ost-West-Konfliktes entsprang und die mit Mauerfall und Wiedervereinigung weitgehend obsolet geworden ist. Es mangelt aber am streitlustigen und entschiedenen Widerspruch gegen einen linksliberalen Mainstream im Fernsehen. Überall sehen wir dieselben opportunistischen Partylöwen, die weichgespülten di Lorenzos, Beckmanns und Kerners. Löwenthal hat eine Lücke hinterlassen, die nie wieder geschlossen wurde.


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