© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002

 
Der bestgehaßte Westjournalist
Nachruf II: Gerhard Löwenthal stand für einen antikommunistischen Kurs / Bespitzelung durch das Ministerium für Staatssicherheit
Detlef Kühn

Eine Wirkungsgeschichte des westdeutschen Fernsehens auf die Deutschlandpolitik und insbesondere auf die Verhältnisse in der DDR ist noch nicht geschrieben. Dabei kann man die Bedeutung des Westfernsehens für die Information des durchschnittlichen Deutschen in der DDR gar nicht hoch genug einschätzen. Das gilt einmal für die aktuelle Berichterstattung durch eigene ständige Korrespondenten, die nach dem Abschluß des Grundlagenvertrages 1972 möglich wurde.

Genauso bedeutsam waren die politischen Magazine, die sich regelmäßig auch mit Deutschlandpolitik und den Verhältnissen in der DDR beschäftigten. Das ZDF produzierte zwei Magazinsendungen, die sich allerdings voneinander deutlich unterschieden: Das "ZDF-Magazin", 1969 gegründet und bis zu seinem Ausscheiden 1987 von Gerhard Löwenthal moderiert, und das "Kennzeichen D" seines eher linksliberalen Kollegen Hanns Werner Schwarze.

Während "Kennzeichen D" im Umgang mit der DDR einen moderaten Ton anschlug und vor allem die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition verteidigte, die nach dem Regierungswechsel 1982 von der CDU/FDP-Regierung unter Bundeskanzler Kohl ohne Abstriche fortgeführt wurde, bevorzugte Löwenthal von Anfang an einen antikommunistischen Kurs, den er nicht nur auf die DDR beschränkte, sowie eine entsprechend eindeutige Sprache. Im Westen trug ihm das bei vielen den Ruf eines "Kalten Kriegers" ein, in der DDR-Führung machte es ihn zum bestgehaßten West-Journalisten, gerade weil er bei der DDR-Bevölkerung wegen seiner kompromißlosen Standpunkte und klaren Aussagen außerordentlich populär war und hohe Einschaltquoten erzielte.

Ab 1975 öffnete Löwenthal sein Magazin "Hilferufe von drüben", Briefe und Appelle vor allem von Ausreisewilligen, die hofften, durch Publizität eher in die Freiheit zu gelangen. Als zusätzlich in Lippstadt von Löwenthal und seinen Freunden ein Verein mit gleichem Namen und gleicher Zielsetzung gegründet wurde, übernahm Mielkes Ministerium für Staatssicherheit (MfS) auch dessen Bearbeitung, bei der es - wie wir heute wissen - insgesamt 83 Inoffizielle Mitarbeiter unter Führung einer eigenen hauptamtlichen Arbeitsgruppe einsetzte.

Gerhard Löwenthal konnte das alles nicht erschüttern. Ihn erschütterte viel mehr, daß Helmut Kohl als Kanzler sein Versprechen einer "geistig-moralischen Wende" vergaß, ebenso wie seine Vorgänger auf eine aktive Wiedervereinigungspolitik verzichteten und sich mit einer Politik der Milderung der Teilungsfolgen begnügten. Bis zu seiner Pensionierung wurde er nicht müde, im Fernsehen auch auf den wirtschaftlichen Niedergang in der DDR hinzuweisen. Seine Zuschauer in der DDR überraschte er damit nicht. Ihnen bestätigte er nur, was sie tagtäglich erlebten.

Im Westen aber wollte die politische Klasse das alles gar nicht so genau wissen. Das ZDF stellte drei Monate nach Löwenthals Ausscheiden "sein" Magazin ein. Die Langzeitwirkung seiner Arbeit blieb jedoch erhalten und trug 18 Monate später dazu bei, daß Hunderttausende in der DDR auf die Straße gingen und das kommunistische System, das Löwenthal sein Leben lang bekämpft hatte, zum Einsturz brachten.

 

Detlef Kühn war von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts in Bonn.


 
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