© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002

 
Der Staatsanwalt vor der Tür
Medien: Franziska Augstein und Heribert Prantl, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", sägen am Stuhl von "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust
Andreas Wild

Im Hamburger Spiegel bahnt sich nach dem Tod des Gründers und Herausgebers Rudolf Augstein ein Kampf um die Chefredaktion an. Als Herausforderer des derzeitigen Platzhalters Stefan Aust wird Heribert Prantl aufgerüstet, Leiter des Ressorts Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) und eng liiert mit der Augstein-Tochter Franziska, die zur Zeit ebenfalls Redakteurin bei der SZ ist.

Austs Position im Spiegel ist zweifellos stark, wird aber von vielen Seiten angezweifelt und systematisch untergraben. Der gelernte Fernsehmann ist bei den Redakteuren des Printmediums nie recht heimisch geworden, galt ihnen immer als Parvenu und Emporkömmling und verfügt auch heute noch nicht über den richtigen Stallgeruch. Es gelang ihm zwar, die Auflage zu steigern und das Magazin bisher aus den Stürmen der Medienkrise herauszuhalten, doch kreiden ihm einflußreiche Kräfte in Verlag und Redaktion an, daß er den Spiegel weitgehend "entpolitisiert" habe, daß er ein Mann des "Vermischten" sei und lieber "bunte Geschichten" als politische Kampagnen im Stile des alten Augstein-Spiegels ins Blatt hebe.

Für die Aust-kritischen Kräfte wäre Heribert Prantl genau der richtige Mann. Er war, bevor er in den Journalismus einstieg, Staatsanwalt mit dem Gebaren eines Robespierre, bis oben hin angefüllt mit republikanischem Furor, ein Eiferer, der am liebsten noch gleichzeitig Richter und Henker gewesen wäre, und so schreibt er denn auch. Seitdem er die Innenpolitik der Süddeutschen verantwortet, ist diese ein Fallbeil, eine Guillotine der Political Correctness, von der lediglich die Mitglieder der rot-grünen Bundesregierung verschont bleiben. Für diese findet Prantl stets eine versteckte Rechtfertigung, auch wenn sie noch so viel Unsinn anrichten. Da bewährt sich dann seine staatsanwaltliche Paragraphenfuchserei.

Das Pärchen Franziska Augstein/Heribert Prantl ist bereits jetzt für die Spiegel-Leute eine Koalition von nicht zu unterschätzender Durchschlagskraft. Franziska, die ihre Machtambition bei einem Auftritt während der Trauerfeier für ihren Vater am 25. November in der Hamburger Sankt-Michaelis-Kirche unüberhörbar angemeldet hat, gebietet über 24 Prozent der Anteile am Spiegel (Erbengemeinschaft) und unterhält beste, persönlich untermauerte Beziehungen zur Bertelsmanntochter Gruner + Jahr, der 25,5 Prozent gehören und deren Management die medialen Geschäfte und Strategien aus dem ff beherrscht.

Der formale Mehrheitseigner des Spiegel, die KG der Mitarbeiter (50,5 Prozent), ist demgegenüber ein bunter Haufen, dem es in erster Linie um Gewinnausschüttung zu tun ist. Und auch dort haben Augstein und Prantl Anhänger. Dennoch: Solange die Geschäfte gut und einigermaßen gewinnbringend verlaufen, wird sich aus der Mitarbeiter KG kaum eine Oppositionsfronde gegen Stefan Aust formieren.

Anders sähe die Sache freilich aus, wenn auch das Hamburger Magazin die Auswirkungen der Krise zu spüren bekäme. So wie die internen Dinge stehen, dürfte sich dann sofort eine Schlechtwetterfront gegen den jetzigen Chefredakteur aufbauen, würde sofort Heribert Prantl als Alternative oder sogar als übergeordneter Herausgeber und Augstein-Nachfolger ins Spiel gebracht werden.

Für das mediale Klima in Deutschland wäre das zweifellos eine Verschlechterung. Unter Aust hat sich der Spiegel zwar bei weitem nicht zu einem wirklich unabhängigen, souverän über den Parteien und Richtungen stehenden Organ entwickelt, hat aber zumindest einige Versuche in die richtige Richtung gemacht. Unter Prantl ginge es schnell wieder in die "Sturmgeschütz"-Zeiten zurück, gäbe es verstärkt Häme und einseitiges, humorloses Gezeter.


 
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