© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002

 
Verstörend
Kino II: "Dämonisch"
Claus-M. Wolfschlag

Ende der 1990er Jahre fahndet FBI-Agent Wesley Doyle (Powers Boothe) noch immer erfolglos nach dem sogenannten God's-Hand-Serienmörder, als ein jüngerer Mann namens Fenton Meiks (Matthew McConaughey) abends als Zeuge in sein Büro geführt wird, der behauptet, die Identität des Killers zu kennen. Es handle sich dabei um seinen Bruder Adam Meiks. Fenton holt lange aus und berichtet dem skeptischen Doyle seine Kindheitsgeschichte.

Er geht in seiner Erzählung zurück in das Texas des Jahres 1979. Nach dem Tod der Mutter werden der zwölfjährige Fenton und sein neunjähriger Bruder Adam von ihrem liebevollen Vater (Bill Paxton) aufgezogen. Sie haben ein harmonisches Familienleben, bis eines Nachts der Vater die beiden Buben weckt und ihnen verkündet, daß ihm soeben Gott erschienen sei und ihn mit einer himmlischen Mission betraut habe. Gott habe ihn und seine Söhne dazu erwählt, Dämonen, die als normale Männer und Frauen getarnt auf Erden lebten, zu jagen und zu vernichten. Ein Engel habe ihm hierzu besondere Kräfte verliehen.

Während Adam kritiklos gegenüber dem Vater bleibt, wächst im älteren Fenton zunehmender Zweifel an der geistigen Gesundheit seines Vaters. Dieser ist bald von weiteren Visionen gelenkt. Ein Lichtstrahl führt ihn zu einer Axt, Arbeitshandschuhen und einer Eisenstange. Schließlich übermittelt ihm ein Engel eine Liste mit den Namen zu beseitigender Dämonen. Das Unheil scheint unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen und bald darauf geht Vater Meiks an sein Werk.

"Dämonisch" ist ein beängstigender, ein verstörender Film, dem der Grundtopos des amerikanischen Horrorfilms, der Einbruch von Angst und Schrecken in die heile Familienwelt, trefflich gelingt. Eindrucksvoll wird die Entfremdung des jungen Fenton, eines am Anfang der Pubertät stehenden Buben, von seinem Vater und seinem unkritischen jüngeren Bruder Adam dargestellt. Verlorene Unschuld wird durch die seelische Zerrissenheit des Jungen verdeutlicht, schwankend zwischen der Hoffnung auf Rückkehr zur sorgenfreien Kindheit und der Furcht vor den möglichen schrecklichen Auswüchsen der Zukunft, zwischen der Liebe zum Vater und der eigenen moralischen Urteilskraft, zwischen der völligen Abhängigkeit von seiner Familie und den angsterfüllten, hoffnungslosen Bemühungen der Verweigerung. Die im Rückblick erzählte Geschichte einer Familientragödie gehört zu den erschütterndsten Geschichten, die der amerikanische Film in diesem Jahr zu bieten hat.


 
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