© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002


Majestätsbeleidigung
von Steffen Königer

Nichts war es mit der vorweihnachtlichen Ruhe für CDU-Parteichefin Angela Merkel. Während diese sich noch im Spiegel unumwunden als "die Nummer 1 in der CDU" bezeichnete, schoß der von ihr so plötzlich geschaßte Ex-Fraktionschef Friedrich Merz im Interview mit der Berliner Zeitung vom vergangenen Samstag aus allen Rohren Sperrfeuer. Merkel habe seine Ablösung mit fast allen Länderchefs der Union vorher abgesprochen. Man habe ihn mit dem Amt des Bundestagspräsidenten abspeisen wollen, was er nicht mit sich hätte machen lassen. Es ginge darum, Politik zu machen, und nicht nur anzukündigen, so Merz. Nun will der 47jährige den Menschen wieder bewußt machen, daß "'wertkonservativ' eine Stärke und keine Schwäche der Union ist." Vielleicht hat man ihn auch deshalb auf das Abstellgleis geschoben?

Selbst wenn nur die Hälfte der Dinge stimmt, die Merz der machtintelligenten Merkel vorhält, so ist es nur eine Art politisches Barometer, das den Zustand in der Union auf traurige Art beschreibt. Schon haben sich die ersten Majestätsbeleidigungsentdecker zu Wort gemeldet - allen voran Christian Wulff. Findet endlich eine Grundsatzdebatte in der Union statt? Fehlanzeige! Man wolle die Streitigkeiten so schnell als möglich beigelegt wissen, so hieß es aus dem Parteipräsidium. "Den Menschen gehen Personalquerelen auf den Geist", weiß Christian Wulff. Was ihnen aber noch mehr auf den Geist gehen dürfte, ist die anhaltende Profillosigkeit der Union.


 
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