© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Hoffnungsträger
Karl Heinzen

Dieter Bohlen hat in einem Interview mit dem Magazin GQ angekündigt, in die Politik zu gehen. Wer dies belächelt oder als Stilblüte einer Spätdemokratie verunglimpft, erweist unserer Republik einen schlechten Dienst. Landauf, landab lamentieren die Menschen über die Verhältnisse, die im argen lägen. Sie mißtrauen aber neu antretenden Politikern und Parteien, die ihnen aus dem Herzen sprechen und eine Besserung bewirken wollen. Statt dessen geben sie ihre Stimme lieber den Verantwortlichen für das Desaster, da diese in ihrem Scheitern wenigstens authentisch und damit glaubwürdig sind.

Dieter Bohlen ist der erste, der diesen Teufelskreis durchbrechen könnte. Er ist nicht nur jünger und attraktiver als die letzten verbliebenen, von ihren Parteien mehr oder weniger outgesourcten Populisten Jürgen Möllemann, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Er ist auch wesentlich bekannter. Seit Jahrzehnten nehmen die Menschen Anteil an seinem Lebensweg. Sie wissen um seine Stärken und Schwächen. Mitteilenswertes aus seinem Alltag und seinem Beruf muß nicht unter aufwendiger Bemühung ausgetüftelter PR-Instrumente an den Mann oder die Frau gebracht werden. Die Öffentlichkeit interessiert sich aus eigenem Antrieb dafür. Die Gedanken und Erinnerungen, die er jüngst zu Papier hat bringen lassen und mit denen er die Bestsellerlisten anführt, sollten letzte Zweifel an seiner Relevanz ausgeräumt haben. Nun ist der Moment gekommen, mehr zu wagen.

Dieter Bohlen hat viele Menschen sehr glücklich gemacht - mit seiner Musik, mit seinem Lächeln, mit seiner Wesensart, mit den vielen Geschichten, die sich um seine Person ranken. Seine Rolle war nie die des Finsterlings, den Ronald Reagan als Schauspieler und Präsident spielte. So einem Mann nimmt man frohe Botschaften ab, auch wenn er solche gar nicht verkündet.

Vor allem aber verkörpert Dieter Bohlen etwas, das unsere Politik schon so lange entbehren muß: den Erfolg. Was er anfaßt, wird zu Gold. Kann es schaden, wenn ein Mann mit dieser Eigenschaft Einfluß gewinnt - zum Beispiel auf die Gestaltung unser Staatsfinanzen?

Dieter Bohlen agiert vielleicht manchmal intuitiv - das tun die meisten anderen Politiker schließlich auch. Von ihnen unterscheidet er sich aber durch das wissenschaftliche Fundament seiner Überzeugungen und die von Kindesbeinen an gesammelten Erfahrungen aus der unternehmerischen Praxis. Er weiß, wie die Bürger ticken. Sein Appell an die Gier und den Egoismus als Voraussetzungen individueller Leistungsbereitschaft zeigt, daß er die Marktwirtschaft besser verstanden hat als die vielen, die den Menschen eine Lebensperspektive verheißen, um die sie nicht tagtäglich bangen und kämpfen müßten.

Vor einem aber muß er sich in acht nehmen: Man wird ihn umgarnen und für Kommissionen zu gewinnen versuchen, die er mit seinem Namen schmücken soll. Auch in der Politik muß Dieter Bohlen sich selbst die Treue wahren und unbescheiden sein.


 
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