© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002


Einfach mal darüber reden
Kosten der Regierungskommissionen: In den Ministerien zeigt man sich wenig auskunftsfreudig
Peter Freitag

Unter reger Anteilnahme der Medien tagte am Freitag erstmals die sogenannte "Rürup-Kommission", die am 12. November von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt einberufen worden war. Offizieller Titel der Runde ist "Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme", benannt wird sie nach ihrem Vorsitzenden Bert Rürup, Professor am Fachbereich Finanz- und Wirtschaftspolitik der TU Darmstadt. Rürup, nach Einschätzung des Handelsblatts der "wichtigste Vordenker der Bundesregierung", gehört schon mehreren Beratungsgremien an. So ist er Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Fünf Weise"), berät Bundesfinanzminister Hans Eichel bei der Vorbereitung der Reform der Altersvorsorgebesteuerung und leitet den Sozialrat der Bundesregierung. Er besitzt ein SPD-Parteibuch, beriet aber schon den früheren Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU).

Von großen Erwartungen begleitet soll sich nun also das neue Rürup-Gremium Gedanken über die Senkung der Lohnnebenkosten sowie über die Zukunft von Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung machen und nach einem Jahr dann im Herbst 2003 ihren Abschlußbericht vorlegen. Selten wird in diesem Zusammenhang von den Kosten geredet, die eine solche Kommission ihrerseits dem Steuerzahler beschert: Die Rürup-Kommission schlägt mit einem Posten von immerhin einer Million Euro im Haushalt des Gesundheitsministeriums zu Buche. Was davon für Aufwandsentschädigungen an die Mitglieder oder für die eigens eingerichtete Geschäftsstelle entfällt, ließ sich auch nach Anfrage der JUNGEN FREIHEIT beim Ministerium nicht detailliert feststellen.

Noch weniger auskunftsfreudig zeigte sich das Wirtschaftsministerium bei der Frage nach den Kosten der Hartz-Kommission. Dabei ist die Frage berechtigt, warum es überhaupt derartiger Kommissionen bedarf. Denn zu jedem Bundesministerium gehört mindestens ein wissenschaftlicher Beirat, der aus Sachverständigen der jeweiligen Fachrichtung besteht. Für das Wirtschaftsministerium setzt sich der Beirat aus 38 Professoren zusammen, die vom Minister berufen werden und deren Mitarbeit ehrenamtlich erfolgt. Mangelnde Kompetenz wird man diesem Gremium nicht nachsagen können. Vielmehr verfügt der Beirat über ein international hohes Ansehen. Seine Gründung geht auf den sogenannten "Arbeitskreis Erwin von Beckerath" von 1948 zurück. Unter Vorsitz dieses Professors hatten bereits im Zweiten Weltkrieg Fachleute über die zukünftige Wirtschaftsordnung Deutschlands beraten.

Kommissionen dienen dem Ansehen der Regierung

Da der wissenschaftliche Beirat aber sowieso existiert, ist seine Beratungstätigkeit in der Regel unspektakulär; das Einsetzen einer Kommission dagegen erfolgt mit einer medialen Resonanz, die in der Öffentlichkeit auf größeres Interesse stößt und daher den Wählern suggerieren soll, daß jetzt etwas geschieht. Zum anderen schlägt eine Kommission für das Ansehen der Bundesregierung positiv zu Buche, indem sie Widersprüchliches "scheinbar" in Einklang bringt: Sie vermittelt nach außen den Eindruck von Unabhängigkeit, ihre Zusammensetzung dagegen gehorcht dem Interesse der Regierenden.

Den wirtschaftsliberalen Mitgliedern wie Roland Berger (Unternehmensberater), Axel Börsch-Supan (Volkswirtschaftsprofessor aus Mannheim und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums) oder Dominique Döttling (Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren) stehen in der Rürup-Kommission die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer, sowie Funktionäre zweier weiterer DGB-Gewerkschaften gegenüber. Von Unternehmensseite ist die Großindustrie deutlich überrepräsentiert (Daimler-Chrysler und BMW), ebenso verhält es sich bei den Versicherungsträgern AOK und AxA, von denen jeweils ein Vorstandsmitglied in der Rürup-Kommission sitzt.

Ähnlich strukturiert war auch die Hartz-Kommission, die Gerhard Schröder als Trumpf zur Abwehr seiner mangelnden Wirtschaft-Kompetenz im Wahlkampf aus dem Ärmel gezogen hatte. Auch hier lag der Schwerpunkt bei Großunternehmen (Peter Hartz als Vorstandsmitglied von Volkswagen, dazu Vertreter von BASF und Deutscher Bank) und Gewerkschaften (ver.di) oder Sozialdemokraten wie Harald-Schartau (jetzt Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen) und dem Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee.

Der Verdacht liegt nahe, daß aus den Beratungen nur ein minimaler Konsens in den Abschlußbericht einfließen kann, der dann, wie heute schon verlautbart wird, noch nicht einmal "eins zu eins" umgesetzt werden muß. Dafür gehen der aktuellen Rürup-Kommission die Vorgänger Peter Hartz und Rita Süssmuth (Zuwanderungskommission) beispielhaft voran.

Die Umsetzung der Rürup-Vorschläge im Herbst 2003 wird aller Wahrscheinlichkeit nach eher am Bedarf der jeweils wahlentscheidenden Klientel ausgerichtet sein. Am Ende der kommenden sechs Plenar-Beratungen der Kommission könnte die Bilanz heißen: Gut, daß wir einmal darüber geredet haben. Zum Preis von einer Million Euro.


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