© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
Am Ende jedes Dialogs steht der Dschihad
Hans-Peter Raddatz geht in seinem jüngsten Buch "Von Allah zum Terror" abermals der These nach, daß der tolerante Islam eine Fiktion sei
Michael Wiesberg

In seinem 2001 erschienenen Buch "Von Gott zu Allah? Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft" unternahm der Orientalist, Volkswirt und Systemanalytiker Hans-Peter Raddatz einen großangelegten Kulturvergleich zwischen der westlichen und der islamisch geprägten Welt.

Etwa die Hälfte der Zuwanderer, die Jahr für Jahr in den Westen und hier insbesondere nach Deutschland drängten, hingen dem Islam an. Damit träfen in den westlichen Zuwanderungsgesellschaften Welten aufeinander, so Raddatz, die durch gegenläufige und gegenstrebige Perspektiven grundsätzlich voneinander getrennt seien. Seine zentrale These lautet, daß es das unerschütterliche Streben des Islams sei, diesem territorial zur Herrschaft zu verhelfen.

Strategie des "gemäßigten" Islam kaschiert wahre Ziele

Der Islam finde im Westen ideale Expansionsbedingungen vor: nämlich ein religiös desinteressiertes, sich "aufgeklärt" gebendes Umfeld, in dem die enge Verbindung von Religion und politischem Expansionswillen nicht mehr verstanden werde. Massiv geht Raddatz mit dem sogenannten "interkulturellen Dialog" ins Gericht, dem aus seiner Sicht ein Einheitsstreben zugrundeliege, in dem die westlichen Dialogpartner die Zurückweichenden seien. Er unterstreicht, daß diese Zustände, sollten sie andauern, die repräsentative Demokratie zwangsläufig auf den Prüfstand trieben. Er geißelt die Verachtung der sich kosmopolitisch gebärdenden Elite des Westens für die Reste der Eigenkultur. Aus der Warte dieser Klientel hat sich nicht der Fremde zu integrieren, sondern der als "intolerant" denunzierte Einheimische.

Seinen beunruhigenden Analysen hat Raddatz jetzt in dem soeben erschienenen Buch "Von Allah zum Terror. Der Djihad und die Deformierung des Westens" weiter präzisiert und zugespitzt. Ausgangspunkt des neuen Buches von Raddatz waren die Anschläge vom 11. September 2001 und die hier zum Ausdruck gekommene Verbindung von Islam und Gewalt. Die "Dialogdiener" aus Politik, Kirche und Wissenschaft, wie sie Raddatz nennt, beeilten sich, diese Verbindung als nicht "zum eigentlichen Islam" zugehörig zu erklären. Nichtsdestoweniger bleiben diese bis heute eine Erklärung dafür schuldig, warum in fast allen islamischen Ländern Terroristen aktiv sind oder waren, die sich explizit auf den Islam berufen oder beriefen.

Raddatz Buch beschäftigt sich im ersten Teil zunächst mit der Entstehungsgeschichte des Djihads, der islamischen Gewaltexpansion und ihrer Herrschaftslehre. Der Mittelteil beleuchtet den imperialistischen Islam in Europa und stellt ihn der "europäischen Expansion" gegenüber. Abschließend beschreibt Raddatz den modernen Machtprozeß im Islam und Westen sowie seine ideologischen und psychologischen Konturen.

Raddatz Gang durch die Geschichte des Islams oder der Genese und Ausformung des Djihads (Heiliger Krieg) mündet in der Schlußfolgerung, daß es sich bei den islamischen Lehren um ein unveränderbares "Wissen" handele, das sich bisher unter dem Banner des Djihads mit Gewalt Geltung verschafft habe. Dieser Heilige Krieg kann sich sowohl nach außen als auch nach innen richten, wie seine wechselvolle Geschichte belegt. Gerade der von den westlichen "Luxuszikaden" (Oriana Fallaci) weitgehend ignorierte Djihad nach innen, der sich als innerislamischer Machtkampf, aber auch als systematischer Terror in Form von Ermordung und Entrechtung von "al-ahl-dhimma" (Schutzbefohlenen; meist Juden oder Christen) in unterworfenen Gebieten artikulieren konnte, gehört mit zu den aufschlußreichsten Passagen seines Buches. Hiervon machte im übrigen auch das immer wieder als Hort der Toleranz angepriesene Kalifat von Cordoba keine Ausnahme.

In den letzten Jahrzehnten erlebte das Gesetz Allahs (Scharia) eine unübersehbare Renaissance, die im Westen mit Begriffen wie "Fundamentalismus" und "Islamismus" nur ungenügend erfaßt worden sei. Tatsächlich spiegelt sich hier der nucleus muslimischer Weltsicht. Die zentralen Kriterien der islamischen Existenz seien, so unterstreicht Raddatz, der Ritus, der Kampf für die Einheit und die Ausbreitung der islamischen Gemeinschaft, die Ausbeutung fremder Vermögen und die Macht, welche diese Triade aus Kult, Kampf und Kapital sichere. Was der Westen als "Fundamentalismus" interpretiere, sei bei Licht betrachtet die muslimische Erkenntnis, sich im Prozeß der sogenannten Globalisierung letztlich nur dem Gesetz der Scharia unterwerfen zu wollen.

Wie bereits bei "Von Gott zu Allah?" verortet Raddatz als erfolgreichste Vertretung dieses Schariatismus die "Muslimbruderschaft". Mit offenen Politik- und Sozialvereinen sowie verdeckten Terrorgruppen betreibe diese 1928 gegründete Gruppe die Strategie von "Gemäßigten", die sich konstruktiv von den "extremen" Kräfte abhebe, und etliche islamischer Länder unterwanderte.

Auch in Deutschland sei diese Bruderschaft aktiv. So bei dem arabischen "Zentralrat der Muslime", der türkischen "Milli Görüz" (Nationale Weltsicht), in den "Islamischen Zentren", im Moscheenbauverein "DITIB" und etlichen anderen. Die pseudo-demokratische Propaganda dürfte laut Raddatz nicht darüber hinwegtäuschen, daß alle diese Institutionen miteinander verknüpft seien. Diese setzten mit immer gleichen, "gemäßigten" Argumenten einen enormen Moscheenbau durch und verwirklichten somit langfristig unbehelligt die Interessen eines schariatischen Islam, also einer Gesellschaft unter islamischem Recht.

Vorschub werde dieser Entwicklung durch die kulturnihilistische deutsche Islamlobby geleistet. Diese stehe der eigenen Kultur grundsätzlich negativ gegenüber. Schlagworte dieser Lobby seien Begriffe wie "intolerantes" Christentum, die angebliche "Tradition" einer europäischen Pauschalgewalt und der "Kolonialismus der Menschenrechte". Raddatz wirft dieser Gruppe eine wachsende Verachtung des Grundgesetzes vor.

Dschihad als Anstrengung im Glauben verniedlicht

Sie diffamierten diejenigen, die eine emanzipierte Diskussion des Problems einforderten. "Wer die verbrieften Interessen der Mehrheit vertritt, landet an den 'Stammtischen' der Gestrigen, die noch der 'populistischen Illusion' nachhängen, daß 'alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht'", beklagt Raddatz, "ganz zu schweigen vom Recht des Widerstands gegen jeden‚ 'der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen'." Raddatz weist mit hinreichend untermauerten Argumenten nach, daß der "tolerante Islam" des "Dialogs" eine Fiktion ist. Dies zeige sich gerade bei dem im erstarkenden Schariatismus besonders gebräuchlichen Begriff des "Djihads". Dessen oft bewiesener blutiger Charakter im Kampf gegen den Unglauben wird als "Anstrengung im Glauben" verniedlicht. Damit soll der Öffentlichkeit suggeriert werden, daß sich jeder Muslim um die rechte Seelenverfassung bemüht, die letztlich nur "Frieden" und "Toleranz" im Auge habe.

Beunruhigend für die Zukunft westlicher Einwanderungsgesellschaften ist Raddatz' Fazit aus dieser Entwicklung. Wer den Islam vorrangig als tolerant und friedlich darstelle, müsse, "neue, undemokratische Standards der Politik entwickeln"und letztlich "schariatische Bedingungen" anstreben, das heißt "selbstgeschaffene Gesetze und Institutionen verteufeln, Täuschung und Betrug zu religiösen Tugenden erheben, Andersgläubige auspeitschen und töten, Straftäter verstümmeln, Frauen ins Unsichtbare verbannen, Ehebrecherinnen steinigen, Homosexuelle lebendig begraben sowie die Vernichtung Israels und schrankenlosen Antijudaismus predigen".

Die Beantwortung der Fragestellung, über welche "Qualitäten" in einer Demokratie die Gewählten verfügen müssten, um ihre Wähler über die Kriterien und Folgen der islamischen Expansion täuschen zu können, dürfte für viele Leser des Buches provozierend ausfallen, weil Raddatz auch vor Verschwörungstheorien nicht haltmacht. Raddatz behauptet, daß die "postmoderne" Tendenz des westlichen Machtprozesses in Richtung auf eine netzförmige Neuordnung der Gesellschaft hinauslaufe. Dieser "Strukturwandel" blieb der "umma", der ihrerseits netzartig formierten Gesellschaft des Islams, von Anbeginn erspart, womit eine strukturelle Verähnlichung Europas mit dem Islam in der Zukunft ganz erheblich erleichtert werden könnte. Es könnten somit die Weichen hin zu einer Gesellschaft nach dem kleptokratischen Recht des Stärksten gestellt werden, das im Djihad, dem historischen Kampf des Islams gegen den Unglauben, seit jeher die Grundlage der Macht bildete. Das Arrangement der Eliten sei dabei alles andere als die oft bemühte "Verschwörung", sondern die logische Folge eines globalen Prozesses, indem diese sich von Recht und Verfassung befreiten und, wie in wachsendem Umfang erkennbar, der Korruption, dem organisierten Verbrechen und dem Terror zu öffnen beginnen.

Die von Raddatz hierin vorgetragenen Schlußfolgerungen wirken hier und da überanstrengt. Weniger wäre in einigen Passagen mehr gewesen. Diese Einwände sollten freilich nicht den Blick für den Gehalt dieses wichtigen Buches trüben. Raddatz betreibt Aufklärung im besten Sinne, wenn er das indifferente Toleranzgerede in Politik, Kirche und Medien als Ersatzrealität entlarvt.

Hans-Peter Raddatz:: Von Allah zum Terror. Der Djihad und die Deformierung des Westens. Herbig Verlag, München 2002, 346 Seiten, gebunden, 24,90 Euro


 
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