© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/03 03. Januar 2003

 
Kämpfer zwischen allen Stühlen
Widerstand: "Gespräche mit Hitlers rechten Gegnern" von Claus-M. Wolfschlag
Werner Olles

Über den christlichen, bürgerlichen, sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus existiert eine fast unüberschaubare Fülle an Literatur. Der anti-nationalsozialistische Widerstand der Nationalrevolutionäre, Jungkonservativen, Völkischen und Bündischen aus den Reihen des Neuen Nationalismus, der Konservativen Revolution und der NS-Linken fand dagegen in der politisch korrekten Geschichtsschreibung bis heute nur ganz am Rande statt.

Während die Historiographie des Widerstands es vorzog, sich mit den aus diesem Spektrum stammenden Oppositionellen und Widerstandskämpfern lieber nicht zu intensiv zu befassen, durchbrach der junge Historiker und Politologe Claus-M. Wolfschlag 1995 diese Mauer des Schweigens mit seinem Buch "Hitlers rechte Gegner: Gedanken zum nationalistischen Widerstand".

"Augenzeugen der Opposition. Gespräche mit Hitlers rechten Gegnern" knüpft direkt an diesen Band an. Die vom Autor geführten Interviews stellen jenen Typus des zwischen Links und Rechts, Rebellion und Abenteuer, Anpassung und Widerstand schwankenden radikalen Aktivisten vor, der sich vor und auch nach 1945 zwischen alle weltanschaulichen Stühle setzte. Dabei geht es weniger um die Rekonstruktion der Ideengeschichte der nationalen Opposition. Vielmehr versucht Wolfschlag, anhand konkreter biographischer Beispiele das wechselnde Erscheinungsbild der "Deutschen Revolution" in der NS-Diktatur auszuloten.

So fühlte sich beispielsweise in der nationalsozialistischen Bewegung die "Linke", deren sozialrevolutionäre Ideologie von den Brüdern Otto und Gregor Strasser formuliert wurde, durch die "nationale Bourgeoisie" und das parteiinterne "Bonzentum" verraten. Die Verfälschung der Parteilinie des "deutschen Sozialismus", wie ihn sich Strassers Umfeld vorstellte, führte letztlich zum offenen Bruch mit Hitler, in der "Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten" und später in der "Schwarzen Front" schließlich zum kämpferischen Widerstand gegen das NS-System. Im "Jungdeutschen Orden" Mahrauns, in Teilen des "Stahlhelms", in Ernst Niekischs Widerstandskreis, im "Jungnationalen Bund", im "Nerother Wandervogel", selbst in der "Hitler-Jugend" organisierten sich jene rebellischen Kräfte, die bis 1945 das System des nationalsozialistischen Weges einer totalitären Partei kompromißlos bekämpften.

Die Gespräche mit Karl Ernst Naske ("Schwarze Front"), Heinz Gruber ("Schwarze Jungmannschaft"), Ernst und Jürgen Schröder ("Jungdeutscher Orden"), Walther Angerer ("Jungnationaler Bund") und Hans Dörner ("Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten") geben einen guten Einblick in die Ideenwelt der entschlossenen Gruppen, die in vielen Aussagen zeittypisch für nationalrevolutionäre Strömungen und die bündische Jugend sind. Durchgängig ist dabei ist die militante und unversöhnlich antinationalsozialistische Haltung, die sich jedoch nicht aus einem deterministischen Geschichtsbild, wie dem des Kommunismus speiste, vielmehr wurde diese aus "nationaler Notwendigkeit" eingenommen. Das Ziel ihrer visionären Vorstellungen von Staat, Volk, Revolution und Sozialismus war eine "Front der jungen Kämpfer jenseits aller Fronten". Ihr Schicksal war es hingegen, zuerst umworben, dann enttäuscht und schließlich verfolgt zu werden. Letztlich blieben sie alle Offiziere ohne Truppen, die sich zwar auf das Knüpfen von Querverbindungen verstanden, und bei ihrer schwärmerischen Wanderung durch die ideologischen Landschaften der dreißiger Jahre immer noch von einem Sieg über das NS-Regime träumten. Jedem, der einen unmittelbaren Zugang zu jener Zeit haben möchte, sei der kleine Band als lehrreiche und spannende Lektüre dringlich empfohlen.

Claus-M. Wolfschlag: Augenzeugen der Opposition. Gespräche mit Hitlers rechten Gegnern. Verlag Zeitenwende, Dresden 2002, 140 Seiten, 13 Euro


 
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