© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/03 10. Januar 2003

 
Kolumne
"Kakophonien"
Klaus Motschmann

In den Betrachtungen zahlreicher Politiker der rot-grünen Regierungskoalition zum Jahreswechsel war bemerkenswert häufig von der Notwendigkeit eines "Mentalitätswechsels" die Rede. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse dürften nicht weiter "schlecht geredet" werden. Die vorherrschende "Kakophonie", so Bundeskanzler Schröder, müsse ein Ende haben, wenn es aufwärts gehen soll.

Endlich! möchte man sagen, wenn man nur genau wüßte, ob sich diese Äußerungen nicht nur auf die aktuelle Stimmungslage in Deutschland beziehen, sondern auch auf grundsätzliche politische Einstellungen, die diese Stimmungslage nachhaltig beeinflussen. Bekanntlich wird Deutschland seit Jahren in sehr viel schlimmerer Weise als jetzt "schlecht geredet", insbesondere seit der Vereinigung. Es genügen für diesen Zusammenhang einige Stichworte zur Erinnerung: "Deutschland verrecke!" - "Deutschland halt's Maul" - "Wir lieben Deutschland brennend" - "Feuer und Flamme für diesen Staat" - "Nie wieder Deutschland!" usw... Natürlich handelt es sich bei diesen aggressiven Haßtiraden um eine sogenannte Affektinkontinenz fanatisierter Jugendlicher, die nicht wissen, was sie tun (Luk. 23,24).

Aber sehr viele Intellektuelle, Publizisten und Politiker wissen, was sie tun, wenn sie gegen diese "Kakophonie" seit Jahren nicht nur nichts Erkennbares tun, sondern den Eindruck klammheimlicher Bereitschaft zur Duldung, zum Verständnis, ja zur Zustimmung dieser anarchistischen Verwüstung unserer vielzitierten politischen Kultur vermitteln. Wie ist es beispielsweise anders zu erklären, daß am ASTA-Gebäude einer traditionsreichen deutschen Universität monatelang in halbmeterhohen Lettern die Anarcho-Losung "Deutschland muß sterben" (ergänze: damit wir leben können) prangen konnte?

Von einem "Aufstand der Anständigen" gegen diese Verwüstungen unserer sogenannten politischen Kultur, unserer Verfassungs- und Rechtsordnung war bislang nichts zu vernehmen, auch nichts von der Existenz eines "Aktionsbündnisses gegen Linksextremismus" oder gar "Rockkonzerte gegen linke Gewalt" zur Verteidigung der Demokratie. Welcher Demokratie? - wie man zur Vermeidung von Irrtümern stets sofort fragen sollte.

Wenn man so fragt, deuten sich einige, bislang wenig bekannte Zusammenhänge an: Zum Beispiel der, daß zwischen der gegenwärtigen "Kakophonie" und dem seit Jahren kultivierten und propagierten ideologischen Haßkomplex gegen Deutschland, ein innerer Zusammenhang besteht.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin.


 
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