© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/03 24. Januar 2003


Irak-Krieg
Das Gesetz des Handelns
Dieter Stein

Am Krieg scheiden sich die Geister. Derzeit herrscht wieder jene eigenartige Atmosphäre, wie sie in den letzten Jahren immer eintrat, wenn es ernst wurde. Zwar reagiert die Öffentlichkeit mittlerweile fast schon gleichgültig auf den Aufmarsch von 150.000 US-Soldaten am Persischen Golf, doch entfaltet der in beinahe lässig-gelangweilter Routine vorbereitete Krieg eine Dynamik, die von jedem Besitz ergreift. Alles ordnet sich der Logik dieser militärischen Initiative unter.

Es sind die USA, die derzeit allein das Gesetz des Handelns in ihren Händen halten. Wer den Krieg ausruft, zwingt jeden anderen zur Reaktion. Die Mobilmachung der Invasionsstreitkräfte entfesselt eine packende Dramaturgie. Jeden Abend beherrschen Bilder von Marschkolonnen die Bildschirme. Weinende Frauen verabschieden ihre Soldaten. Flugzeuge werden beladen. Schiffe legen ab. Es ist soweit, sagt sich der Zuschauer. Politik und Diplomatie ordnen ihren Zeitplan den Dienstplänen des Militärs unter.

Von Tag zu Tag hat es derjenige schwerer, der für konsequente Nichteinmischung plädiert. Was zum Teufel hätten unsere Soldaten auf den irakischen Ölfeldern zu suchen? Die Sirenengesänge der Kriegsbefürworter werden indes immer lauter: So fordert der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, einen militärischen Beitrag Deutschlands, sollte der UN-Sicherheitsrat einen positiven Beschluß zu einer Militäraktion fassen.

Es ist besorgniserregend, auf welchem Niveau die Diskussion über Krieg und Frieden in den Unionsparteien geführt wird. Eine erschreckend geringe Zahl an Politikern der großen Oppositionspartei engagiert sich überhaupt in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Dieser kleine Kreis trimmt die Union regelmäßig auf unkritischen US-Kurs. Es war deshalb erfrischend, daß mit Peter Gauweiler und Willy Wimmer plötzlich einige Abgeordnete das Schweigen gebrochen und eine offene Debatte über den Irak-Krieg gefordert haben. Es erschließt sich nämlich niemandem, weshalb sich die Union grundsätzlich zum Erfüllungsgehilfen der amerikanischen Außenpolitik machen läßt und keinen eigenständigen deutschen Standpunkt formulieren will. Deutschland hat sich auf die Landesverteidigung und auf eine europäische Verteidigungspolitik zu konzentrieren. Wir haben weder am Hindukusch noch am Golf etwas zu suchen.

Im Gegenzug ist nicht zu erkennen, was uns drohen sollte, wenn wir uns von der US-Hegemonialpolitik emanzipieren. Man muß nach langen Jahren wohliger Nestwärme eben notfalls mit der Kälte eines atlantischen Liebesentzugs leben lernen. Das wird uns nur gut tun. Es wird Zeit, daß Deutschland erwachsen wird, damit Europa kein Machtvakuum bleibt. "Wir haben ein gemeinsames Interesse, uns nicht einer Hegemonie durch unseren mächtigen Verbündeten USA auszuliefern." Altkanzler Helmut Schmidt ist voll zuzustimmen. Dies muß aber eine verstärkte deutsche und europäische Rüstungsanstrengung zur Konsequenz haben.


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