© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/03 24. Januar 2003


Gerhard Bökel
Der Chancenlose
von Werner Olles

Es sind keine zwei Wochen mehr bis zur Landtagswahl am 2. Februar. Die Umfrageergebnisse für die CDU in Hessen tendieren inzwischen zur absoluten Mehrheit, und so ist es nicht erstaunlich, daß der sozialdemokratische Spitzenkandidat Gerhard Bökel von Tag zu Tag nervöser wird. Wie dünnhäutig er ist, bekamen bei einer Fernsehdiskussion der Landesvorsitzenden der vier im hessischen Landtag vertretenen Parteien diejenigen Zuhörer zu spüren, die sich bei Bökels hilflosen Versuchen, die chaotische Politik der rot-grünen Bundesregierung zu beschönigen, politisch nicht korrekt köstlich amüsierten. In donnerndem Befehlston wurde ihnen von dem ehemaligen Hammerwerfer beschieden, endlich ihr "dämliches Lachen" zu unterlassen.

Der 1946 im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis geborene Bökel gründete Mitte der siebziger Jahre eine Anwaltspraxis in Lahnau. Seine politische Laufbahn hatte zu dieser Zeit jedoch schon begonnen: Zunächst war er Stadtverordneter in Lahn, dann wechselte er in den Kreistag des Lahn-Dill-Kreises und wurde dort zum Vorsitzenden der SPD-Fraktion gewählt, seit 1978 saß er schließlich im hessischen Landtag.

1985 schied Bökel aus dem Landtag aus, da er zum Landrat des Lahn-Dill-Kreises avanciert war. Als der langjährige hessische Innenminister Herbert Günther (SPD) 1994 angeblich aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt erklärte - tatsächlich war dem konservativen Sozialdemokraten die Koalition mit den Grünen schon lange zuwider -, wurde Bökel neuer Innenminister im rot-grünen Kabinett unter Ministerpräsident Eichel. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte ein besonders von den Grünen und der politischen Linken begrüßter befristeter Abschiebestopp für sogenannte "Asylaltfälle", dem sein Vorgänger Günther sich immer widersetzt hatte. In die gleiche Richtung zielt jetzt die Wahlinitiative "Neue Inländer für Bökel" mit der rund zwei Dutzend "Doppelstaatler" dem Kandidaten ihre unverbrüchliche Treue versichern und gleich noch Roland Koch "Ausländerfeindlichekeit und Rassismus" vorwerfen.

Nach dem Regierungswechsel im Februar 1999 zog Bökel als einfacher Abgeordneter wieder in den Landtag ein. Im Juni 2001 wurde er auf dem Parteitag der Hessen-SPD mit einem Volkskammerergebnis von 99 Prozent zum Nachfolger von Eichel als Landesvorsitzender, Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl gewählt. Bökels Dilemma besteht darin, daß ihm bei einer Direktwahl laut Forsa nur 31 Prozent der Befragten ihre Stimme geben würden, gegenüber 44 Prozent, die Roland Koch bevorzugen. Dabei ist das Programm des Herausforderers doch klassisch sozialdemokratisch. Er möchte "zusammenführen statt zu spalten" und verspricht den Hessen 500 neue Ganztagsschulen. Was aber, wenn gerade die Aussicht auf ganztägige staatliche Bevormundung und Miß-Bildung immer mehr Wähler abschreckt?


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