© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/03 24. Januar 2003

 
Schildersturm
Neues vom "Heldenviertel"
Tobias Wimbauer

Mehrfach berichtete diese Zeitung über eine alljährlich sich wiederholende Debatte, die im südbadischen Freiburg unter dem Signum der political correctness geführt wurde: Das im Volksmund sogenannte "Heldenviertel", dessen Straßennamen Helden, Dichter und Schlachten des Ersten Weltkrieges ehren, sollte umbenannt werden. Schon 1984 hatte die Freiburger SPD eine Entsorgung der Straßennamen gefordert, war damals aber mit ihrem Antrag nicht durchgekommen. In einer Sommerlochdebatte wurden 2001 in der örtlichen Badischen Zeitung die Straßennamen als "NS-Erbe" verunglimpft (JF 35/01). Die Neubenennungsforderungen verliefen jedoch im Sande. Im Juli 2002 brachte die Stadt "interpretatorische Zusätze" an den Straßenschildern an, auf denen beispielsweise Hermann Löns als "Wegbereiter der NS-Ideologie" zu überraschenden "Ehren" kam.

In der amtlichen Gesinnungsprosa wurde die Bezeichnung Held (zum Beispiel bei Manfred von Richthofen, Admiral von Spee oder Otto Weddigen) in perfide Anführungszeichen gesetzt und der Hinweis darauf gegeben, daß es sich um ein "NS-Erbe" handele (JF 30/02). Daß die Benennung der Straßen noch zu Zeiten der Weimarer Republik geplant wurde und die damals neue nationalsozialistische Stadtführung dieses Unterfangen lediglich ausführte, spielte natürlich keine Rolle. Schließlich ist "NS-Erbe" ein nützlicher Kampfbegriff, wenn es darum geht, Debatten anzuzetteln.

Wie die Freiburger Tageszeitung Badische Zeitung berichtete, gibt es nun eine überraschende Wendung in der Angelegenheit "Heldenviertel". Die unter dem Vorsitz des grünen Oberbürgermeisters Dieter Salomon tagende "Straßenbenennungskommission" der Stadt Freiburg hat empfohlen, die Straßennamen beizubehalten. Nicht nur dies ist erstaunlich, doch der Überraschungen sind noch mehr. Ein weiterer Lichtblick ist, daß die diffamierenden Legenden ersatzlos gestrichen werden und die alten Schilder wieder aufmontiert werden sollen.

Ebenso wird die Mahntafel wieder abgeschraubt, die am Eingang des Heldenviertels angebracht worden war. Die im September eingeführte griffige offizielle Bezeichnung "Quartier westlich der Merzhauser Straße" für das Heldenviertel soll durch einen anderen Namen ersetzt werden. Vorerst wird die Bezeichnung "Heldenviertel" sich halten; so leicht läßt sich der Volksmund nicht verbiegen. Jetzt könnte man sich doch den drängenderen Problemen des Viertels zuwenden, etwa der schlechten Sozialstruktur. Und das leidige Thema müßte mit der Revision der "Political Correctness" endlich vom Tisch sein, ahnte man nicht, daß "BewohnerInnen"-Initiativen in kommenden nachrichtenarmen Sommerszeiten gewiß wieder die Gelegenheit nutzen werden, ihr Begehren erneut in den Gazetten propagandistisch aufzuwärmen.


 
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