© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/03 24. Januar 2003

 
Antibabypille als Erntehelfer
Das Orchideenwunder von Manila: Wie die Luxuspflanzen zu ungewöhnlicher Farben- und Formenpracht gelangen
Richard Stoltz

Philippinische Beamte, mit der Verteilung von Antibabypillen beauftragt, blieben auf ihren Beständen sitzen, weil sich die streng katholisch erzogenen Mädchen des Landes gegen die Einnahme der Pille sperrten. Was also tun mit den überflüssigen Pillen? Einer der Beamten war Blumengärtner und hatte den Einfall, sie als Dünger für seine Orchideen zu verwenden. Und siehe, alsbald erblühten die Orchideen zu ungewöhnlicher Pracht und Üppigkeit. Das Beispiel machte Schule. Einige hauptstädtische Zeitungen sprechen bereits vom "Orchideenwunder von Manila".

Die Antibabypille als Blumendünger - darauf muß man erst einmal kommen. Botaniker indessen zeigen sich keineswegs überrascht. Sie weisen darauf hin, daß das in der Pille enthaltene, den Eisprung hemmende Östrogen ein Stoff von mannigfaltiger, noch gar nicht voll erforschter Wirkkraft sei. Was den Eisprung verhindert, das könne, sei die Einplanzung erst einmal vollzogen, durchaus wachstumsfördernd sein.

Auch Heiratsvermittler haben es schon immer gewußt. Kundinnen, berichten sie, die die Pille genommen hätten, würden dadurch keineswegs heiratsunlustiger, ihre Partnerwünsche würden lediglich anspruchsvoller. Hätten sie sich vorher einen eher biederen, lebenstüchtigen und in jeder Hinsicht soliden Partner gewünscht, so wachse sich ihr "Kandidatenprofil" nach der Einnahme ins Luxuriöse, ja, ins Phantastische aus. Äußere Männlichkeitsmerkmale träten an die Stelle "innerer Werte", würden allein maßgebend.

Insofern wundert es auch nicht, daß es gerade die Orchideen waren, die sich unterm Östrogen-Stoß zu unwahrscheinlicher Farben- und Formenpracht entfalteten. Es sind typische Luxuspflanzen. Ob Antibabypillen als generell einsetzbare Erntehelfer taugen, wird man jedoch erst wissen, wenn die Beamten auch einmal ihre Rettich- und Melonenbeete damit gedüngt haben.


 
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