© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/03 07. Februar 2003

 
Der Beste und der Liebling
Die RTL-Sendung "Deutschland sucht den Superstar" hat sich zu einem heißen Gesprächsthema emporspektakelt
Thorsten Thaler

Irak-Konflikt? Columbia-Katastrophe? Wahlklatsche für Schröder? An wichtigen Themen herrscht in diesen Tagen gewiß kein Mangel. Und dennoch: Gesprächsthema Nummer eins in der Kantine und am Feierabend, beim Frisör, in der Schlange am Supermarkt und abends in der Kneipe ist nicht der drohende US-Militärschlag gegen den Irak, sind nicht die sieben ums Leben gekommenen Astronauten und ist auch nicht die desaströse Niederlage der SPD bei den Landtagswahlen. Gesprochen - und noch heftiger gestritten - wird über fünf junge Menschen ohne Nachnamen: Alexander (19), Juliette (22), Daniel (17), Vanessa (17) und Gracia (20).

Selbst das Zentralorgan der Kulturbeflissenen, die Frankfurter Allgemeine, kann sich inzwischen dem Medienhype um die Kandidaten der RTL-Sendung "Deutschland sucht den Superstar" nicht mehr verschließen. Am Montag dieser Woche widmete das Blatt der Sendung den Aufmacher im Feuilleton - immerhin satte 282 Zeilen. Soviel brauchen die Frankfurter Edelfedern sonst nicht einmal, um ihren Lesern die politische Großwetterlage zu erklären.

Unschlagbar aber ist die Bild-Zeitung. Seit Wochen werden dort die Kandidaten auf Schritt und Tritt verfolgt, jedes noch so winzige Detail wird ebenso hemmungslos wie hingebungsvoll ausgebreitet. Doch erst jetzt geht es ans wirklich Eingemachte. Seit dem Rauswurf von Gracia (statt der blassen Vanessa) am vergangenen Samstag stehen die Zeichen auf Sturm. Von Skandal ist die Rede, von Manipulation und Betrug. Täglich verschafft die Bild-Zeitung dem gesunden Volksempfinden Luft. Eine RTL-Sprecherin wehrt sich gegen die Schummelvorwürfe: "Wir wollen doch, daß der Beste, also der Publikumsliebling gewinnt."

Eben in dieser Gleichsetzung aber liegt der Grundfehler des Spektakels. Der Liebling der Massen ist nur sehr selten auch der Beste. Das ist im Showgeschäft nicht anders als in der Politik.


 
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