© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/03 14. Februar 2003

 
Auf dem linken Auge blind
Hans-Helmuth Knütter und Stefan Winckler weisen in ihrem Handbuch auf die Gefahr des Linksextremismus hin
Josef Schüßlburner

Politische motivierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland ist links angesiedelt! Diese Botschaft wird in dem von Hans-Helmuth Knütter und Stefan Winckler herausgegebenen Handbuch des Linksextremismus überzeugend belegt.

Schwerpunkt des Werkes stellt die "Chronik des Linksextremismus 1968-1999" dar, die eine bereits weitgehend verdrängte Seite der jüngsten bundesdeutschen Geschichte Revue passieren läßt: Bomben- und Brandanschläge, Morde, Menschenraub, Flugzeugentführungen und natürlich Körperverletzungen und Sachbeschädigungen gehörten im dokumentierten Zeitraum zum Repertoire politischer Kampfmethoden von links. Der geistige Hintergrund dieser politischen Kriminalität wird im Beitrag von Werner Olles "Radikalisierung, Studentenprotest, K-Gruppen und Deutscher Herbst" beleuchtet und die Vorboten einer totalitären Herrschaftsordnung benannt. Sicherlich ist aufgrund des Zusammenbruchs des Kommunismus die unmittelbare Gefahr gebannt, aber die linke Gewaltanwendung geht auch nach Ende des Kommunismus in Form einer nahezu veralltäglichten Gewalttätigkeit sogenannter "Autonomer" weiter, was Stefan Winckler im Beitrag "Gewalttätiger Linksextremismus in den achtziger und neunziger Jahren" beeindruckend analysiert. Diese Gewalttätigkeit in Form etwa von "Chaostagen" und Blockaden, wendet sich zunehmend "gegen Rechts" und ist dabei noch immer geeignet, "von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur antifaschistisch-volksdemokratischen Grundordnung" zu führen, wie es in einem der Beiträge von Claus-M. Wolfschlag, "Frust, Wut, Kontrolle", heißt. Diesen faktischen Verfassungswandel zu verhindern, stellt die Hauptrechtfertigung der Herausgabe des Handbuches dar - ein für Anhänger der Verfassungsordnung entscheidendes Anliegen, für das sich weitere Argumente in der von Winckler am Ende des Werkes kommentierten Bibliographie finden lassen.

Das Handbuch erscheint gerade in einer Zeit, in welcher der amtliche "Kampf gegen Rechts" zu Recht an Glaubwürdigkeit verloren hat. "Gewalt von rechts" kann nämlich angesichts maßgeblicher linker Gewaltkriminalität nur dann einseitig und staatsideologisch zum Problem gemacht werden, wenn man amtlich mehrere Manipulationen vornimmt: Man unterstellt teilweise ganz privaten Auseinandersetzungen, insbesondere zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen, ein politisches Motiv (zumindest bei den Deutschen), erfaßt die linke und rechte Kriminalität statistisch völlig unterschiedlich (siehe dazu das Eingeständnis des Verfassungsschutzes, das im Fußnotenapparat von Winckler zitiert ist) und verschweigt, daß rechte Delikte überwiegend Propagandadelikte darstellen, die links kaum begangen werden können, weil das bundesdeutsche Recht hier ideologisch und damit rechtsstaatswidrig diskriminiert. Dazu kommt vor allem die einseitige Berichterstattung des sozialisierten Rundfunksystems, das für gewalttätige Gegendemonstrationen die rechten Demonstranten, die ihre Grundrechte ausüben, verantwortlich macht.

Dies führt zum eigentlichen Problem, das im Beitrag von Hans-Helmuth Knütter "Antifaschismus als pseudomoralische Basis des Linksextremismus" benannt wird. Der Linksextremismus ist trotz seiner zunehmenden Primitivität und Irrationalität nur deshalb nicht nur ein polizeiliches und staatsanwaltschaftliches Problem, sondern stellt eine verfassungspolitische Frage dar, weil die sogenannte Mitte im großen Ausmaß die Ressentiments teilt, auf denen die linke Irrationalität gründet. Das linksextreme "Deutschland verrecke" oder "Nie wieder Deutschland", das die Gewaltschwelle gegen Deutsche senkt, die sich als solche erkennen zu geben wagen, findet seine Spiegelung im "Europa" oder der "multikulturellen Gesellschaft" der Ideologen der Mitte, zumindest soweit hierbei stillschweigend der Deutsche zur historisch überholten Figur erklärt wird. Studienbeispiel ist die von Bernd Kallina dargestellte politische Ausschaltung der deutschen Heimatvertriebenen, gegen die auch von der sog. Mitte die vom Linksextremismus vorgegebene Revanchismuskeule erfolgreich geschwungen worden ist.

Das letztlich gegen die Mitte selbst gerichtete Anti-Rechts-Ressentiment schafft die Bereitschaft der Mitte, linke Gewalt und Linksextremismus zu relativieren oder gar mit Verständnis zu begegnen, was sich in der Penetration linksextremer Welterklärungsmuster im etablierten Kultursektor niederschlägt, wie dies in einem weiteren Beitrag von Wolfschlag "Antifa ist pop. Zur populärkulturellen Konstituierung einer radikalen Linken" nachgezeichnet ist. Auch der von Roland A. Richter skizzierte Problembereich "Links im Netz" und die von Sebastian Prinz aufgezeigte Integration der ehemaligen Stasiführungspartei PDS als SPD-Koalitionspartner sind hierbei zu nennen. Im letzteren Falle haben dann auch Eintragungen in Verfassungsschutz-Berichten keine Bedeutung, welche die etablierte Berichterstattung im Falle rechter Einträge in die Aura amtlicher Unfehlbarkeit erhebt, obwohl hierbei in einer rechtsstaatswidrigen Weise amtlich bloße Ideologie und Weltanschauung bekämpft werden.

In den weiterführenden Bereich geht der Beitrag von Peter Meier-Bergfeld über den Linksextremismus in Österreich, der deshalb als weniger gefährlich angesehen wird, weil in Österreich die Zivilreligion fehlt, die in der Bundesrepublik mittlerweile etabliert ist. Diese Zivilreligion, die staatsreligiöse "Bewältigung", erlaubt nicht nur die ideologisch linksextreme Penetration der evangelischen Kirche, die vom "Insider" Klaus Motschmann erhellend dargestellt ist, sondern sie enthält auch das wesentliche Kampfmittel, das die Mitte gegen den Linksextremismus offensichtlich wehrlos macht: Dies scheint nicht abstrakt der Faschismusvorwurf zu sein, sondern in der spezifischen Schablone des "Antisemitismus" zu bestehen. Daß mittlerweile auch "Antiamerikanismus" sich für diesen Vorwurf qualifiziert, deutet an, daß die Privilegierung linker Gewalt - ein ehemaliger Vertreter derselben ist mittlerweile Bundesaußenminister - eine gewisse internationale Komponente haben könnte.

Auch wenn der letztgenannte Bereich im Handbuch fehlt, so macht das gesammelte Material in verdienstvoller Weise deutlich, von wo der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Gefahr droht: Aus dem linksextremistischen Spektrum.

Hans Helmuth Knütter, Stefan Winckler (Hrsg.): Handbuch Linksextremismus. Die unterschätzte Gefahr. Leopold Stocker Verlag, Graz 2002, 335 Seiten, 19,90 Euro


 
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