© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/03 21. Februar 2003

 
"Gauweiler vertritt eine Extremposition"
Interview: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Helmut Rauber zum Streit in der Union über Krieg und Frieden
Moritz Schwarz

Herr Rauber, am Wochenende hat eine eindrucksvolle Großdemonstration die Ablehnung eines Irak-Krieges durch die - laut Umfragen - große Mehrheit der Deutschen unterstrichen. Auch in der Union werben Peter Gauweiler und Willy Wimmer für einen Kurswechsel. Schwelt es in der Fraktion?

Rauber: Nein, mit der Verabschiedung des Entschließungsantrags am Donnerstag letzter Woche - bei einer einzigen Gegenstimme - herrscht nun Klarheit über unsere Position.

Der Antrag fordert, daß notfalls ein Krieg gegen den Diktator Saddam Hussein von Deutschland politisch und logistisch mitgetragen werden muß, stellt allerdings die Bedingung, dabei dürfe es sich nur um das letzte Mittel handeln. Diese Position läßt Spielraum für Interpretationen von Pflüger bis Gauweiler, also vom sofortigen Losschlagen, bis zum Pochen auf die päpstliche Friedensmahnung.

Rauber: Das ist richtig, aber das zeigt nur, daß sich jeder in der Fraktion seine Gedanken um Krieg und Frieden macht. Ein Krieg, wenn er notwendig werden sollte, würde natürlich auch die Situation der Menschen im Irak drastisch verschärfen. So würde die zivile Versorgungslage in einigen Gebieten sofort kritisch werden, wenn zum Beispiel die Brücken über den Euphrat bombardiert werden würden. Es gibt eine ganze Reihe von Kritikpunkten, die nicht beschönigt werden dürfen.

Während Bundeskanzler Schröder einen Krieg in jedem Fall ablehnen will, hat Präsident Bush festgestellt, für Saddam Hussein sei "das Spiel aus". Welchem der beiden Pole sehen Sie die Union mit ihrem Entschließungsantrag näher?

Rauber: Wir sind uneinig mit den USA, wenn es zum Beispiel um Saddam Husseins angeblichen Verbindungen zu al-Quaida geht, aber wir sind einig mit den USA, wenn es um die grundsätzliche Erkenntnis geht, daß Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt und versucht, diese zu verstecken.

Sie stimmen also einem Waffengang à la Bush zu?

Rauber: Dieser Punkt ist erst erreicht, wenn die Waffeninspektoren der Uno einen klaren Verstoß Saddam Husseins bezüglich der UN-Resolutionen feststellen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Fraktion sonst einen Angriff akzeptieren würde.

Wie stehen Sie selbst zum Aufruf der Abgeordneten Gauweiler und Wimmer, die Bundesregierung solle sich bei allen weiteren Aktivitäten an den Vorgaben der Kirchen orientieren, die den Kriegskurs der USA zutiefst mißbilligen?

Rauber: Die Fraktion hat sich heute grundsätzlich zu der Friedensmahnung des Papstes bekannt, deshalb sehe ich keine Notwendigkeit diesbezüglich einen gesonderten Antrag zu unterstützen. Gauweiler nimmt eine Extremposition ein.

Auf CSU-Veranstaltungen in München erntete er allerdings großen Beifall. Erfüllt es Sie nicht mit Sorge, daß sich die Partei in dieser Frage von Basis und Volk völlig entfernt hat?

Rauber: In einer Partei muß man zunächst eine gemeinsame, überzeugende Position finden. Das ist am Donnerstag geschehen. Nun geht es darum, den Menschen diese Position nahezubringen, ihnen die Komplexität der Lage und mögliche Konsequenzen klarzumachen und sie dadurch von der Richtigkeit des Weges zu überzeugen.

Noch in der Afghanistan-Frage haben Sie einen sehr viel zurückhaltenderen Kurs befürwortet als Ihre Fraktion.

Rauber: Ja, denn es ist unverantwortlich, daß Deutschland nun die Führung der Afghanistan-Schutztruppe ISAF übernimmt. Wir täuschen das Volk, denn in puncto Afghanistan werden politische Erfolge vorgegaukelt, die gar nicht existieren. So hat sich nicht nur die Situation der Frau in Afghanistan so gut wie nicht verbessert, sondern vor allem erstreckt sich die politische Kontrolle der neuen afghanischen Regierung gerade mal über eine einzige Stadt, Kabul, während der Rest des Landes, das immerhin doppelt so groß wie Deutschland ist, lokalen Kriegsherren untersteht. Doch ein Land, das keinen Frieden will, dem kann man auch keinen aufzwingen, deshalb plädiere ich für eine Exit-Strategie. Doch statt dessen verdoppelt der Bundeskanzler unsere Anstrengungen, obwohl die Kräfte der Bundeswehr bereits überspannt sind. Dies tut er nur, um dadurch von seinem außenpolitischen Versagen in puncto Irak abzulenken.

Wie bewerten Sie die unerwartete Unterstützung der Politik des Bundeskanzlers durch das plötzliche Entstehen einer Achse Paris-Berlin-Moskau in der Irak-Frage?

Rauber: Diese Achse sehe ich nicht! Wenn Sie genau hinschauen, dann haben die Russen eben nicht expressis verbis erklärt, keinesfalls einem Angriff zuzustimmen, und Alain Juppé hat gegenüber Edmund Stoiber klargestellt: "Frankreich wird im Sicherheitsrat nicht mit Nein stimmen." Deutschland wird am Ende wieder alleine dastehen und unser einziger "Verdienst" wird sein, Europa gespalten zu haben.

 

Helmut Rauber, 57, ist CDU-Bundestagsabgeordneter. Der Sicherheitspolitiker gehört dem Verteidigungsausschuß an und ist stellvertretendes Mitglied der parlamentarischen Versammlung der Nato sowie des Europarates und der deutschen Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union.

 

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