© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/03 28. Februar 2003

 
Meldungen

Täterprofile: Neue Wege der NS-Forschung

NEUWIED. An manchen Frühjahrsprogrammen wissenschaftlicher Verlage meint man ablesen zu können, daß die zeitgeschichtliche Forschung sich von der NS-Zeit weg und zur Geschichte der "beiden deutschen Staaten" nach 1945 hinwendet. Der Eindruck täuscht. In einem voluminösen Forschungsbericht über Neuerscheinungen zum NS-Herrschaftssystem mahnen Dieter Nelles, Hartmut Rübner und Heinz Sünker an, was den Kollegen für die "magischen" zwölf Jahre noch zu tun bleibt (Sozialwissenschaftliche Literatur Rundschau, Heft 45/02). Ihr Fazit über die Ergebnisse neuerer Untersuchungen "zum Verhältnis von Gestapo, Bürokratie und Bevölkerung" lautet, daß die Forschung zur Herrschaftspraxis des "Doppelstaates" auf vielen Gebieten erst am Anfang stehe. In der Erforschung der "zentralen Verwaltungs- und Verfolgungsagenturen" stehe man mitten in einem Paradigmenwechsel: Hin zu den Tätern und Tatorten, so daß der "Genozid" nicht länger als "anonymer und industrieller Automatismus" erscheine, der alle Beteiligten tendenziell "exkulpiere".

 

Meeresspiegel steigt alle 500 Jahre um einen Meter

HEIDELBERG. Wie in Polanskis Meisterwerk "Chinatown", wo der Chef der Wasserwerke von Los Angeles mitten in der Dürreperiode angeblich ertrinkt, so scheint sich bei vielen wissenschaftlichen Zeitschriften seit Monaten alles um das nasse Element zu drehen. Das Unimagazin der Universität Hannover widmet allen Aspekten der heimischen Wasserwirtschaft ein ganzes Doppelheft (3-4/02), das Wissenschaftsmagazin der Gießener Justus-Liebig-Universität (Spiegel der Forschung, 1/02) geht auf "Wasserverknappung, Wassernutzungskonflikte und Wassermanagement in Trockengebieten Zentralasiens" genauso gründlich ein wie auf das gigantomanische Projekt des chinesischen Jangtse-Staudamms.Beruhigendes kommt dafür aus polaren Gefilden. Die US-Geophysiker Robert A. Bindschadler und Charles R. Bentley legen dar, daß die Pole zwar schmelzen, aber "über einen Zeitraum von Jahrtausenden hinweg" (Spektrum der Wissenschaft, 2/03). Das bedeute, daß der Meeresspiegel alle 500 Jahre einen Meter steige. Für die Bewohner der Malediven ist das wenig tröstlich, weil sie für den Tag ihres Exodus schon die Uhr stellen können. Aber auch für die "Festländer" haben sich Bindschadler und Bentley eine kleine Verunsicherung zum Schluß ihres Beitrags aufgehoben: der Eispanzer der Antarktis habe die Forscher dreißig Jahre lang genarrt und sei immer für Überraschungen gut.

 

Colloquium über Zentrum gegen Vertreibung

LÜBECK. Der Vorschlag Erika Steinbachs (CDU), der Präsidentin des Bundesverbandes der Vertriebenen, in Berlin ein "Zentrum gegen Vertreibung" zu errichten, hat eine öffentliche Resonanz ausgelöst, wie dies einem "Denkanstoß" aus dem Lager der als "ewiggestrig" verspotteten Landsmannschaften seit langem nicht mehr beschieden war. Daß die Reaktion bei denen, die im Lande die kulturelle Hegemonie behaupten, weitgehend negativ ausfallen mußte, ist selbstverständlich. An die Spitze der Steinbach-Gegner setzte sich der einstige kurzzeitige DDR-Außenminister Markus Meckel (SPD) mit seinem Vorschlag, solch ein Zentrum in Breslau unter polnischer Obhut zu errichten. Getreu der Devise, daß die Geschichte der Vertreibung schließlich nicht den Vertriebenen überlassen werden dürfe. Meckel und Sibylle Dreher, stellvertretend für Steinbach, treffen am 15. März auf einem Colloquium zum Thema "Ein Zentrum für Vertreibung?" aufeinander, das bei Flensburg, in der Akademie Sankelmark stattfindet (Tagungsprogramm bei der Academia Baltica, Mengstraße 31, 23552 Lübeck, Telefon 0451/396940).


 
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