© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/03 07. März 2003


Zivilcourage
Göttingen und die Antifa
Dieter Stein

Am Montag war der Historiker Jörg Friedrich zu einer Autorenlesung in Göttingen. Etwa 35 "autonome Antifaschisten" blockierten die gastgebende Buchhandlung und hinderten den Autor des Bestsellers "Der Brand - Deutschland im Bombenkrieg 1940-45" am Zutritt.

Wer Göttingen kennt, weiß, daß dies über Jahre zu einem alltäglichen Bild geworden ist. In schwarzer Kleidung uniformierte Demonstranten in Springerstiefeln blockieren nahzu jede nicht-linke politische Veranstaltung und sorgen notfalls mit Gewalt dafür, daß eine solche von den Veranstaltern nicht wiederholt wird.

Demütigenden Prozeduren unterziehen sich regelmäßig auch führende Politiker der Unionsparteien in Göttingen - ohne daß dies irgendwelche politischen Konsequenzen nach sich zöge. Nur zwei Beispiele: So verhinderten "autonome" Chaoten im Januar 1999, daß Wolfgang Schäuble an der Göttinger Universität sprechen konnte. Jubelnd konnte die "Antifa M" in einer Pressemitteilung vermelden:

"Schäuble sollte auf Einladung des RCDS eine Uni-Wahlkampfveranstaltung im Zentralen Hörsaalgebäude der Göttinger Universität durchführen. (...) Auch ein martialisches Polizeiaufgebot konnte die Veranstaltung nicht ermöglichen. (...) Kurz darauf wurde Wolfgang Schäuble durch eine lange Gasse von Polizisten unter ohrenbetäubendem Lärm und heftigen Rangeleien in den Veranstaltungssaal gebracht. Nach ungefähr 1 1/2 Stunden mußte Schäuble unverrichteter Dinge das gleiche Prozedere wieder mitmachen - diesmal in die andere Richtung. " Irgendwelche politischen Konsequenzen? Keine einzige.

Im Mai 2001 wollte der bayerische Innenminister Günther Beckstein vor Studenten sprechen. Diesmal kann die linksextreme Internet-Plattform "Indimedya" sich brüsten: "Beckstein wurde in Göttingen kein Raum gegeben! (...) Der RCDS hatte eine Veranstaltung mit Beckstein zum Thema 'Ausländerrecht und Wissenschaftsstandort' angekündigt - raus kam ein Desaster für die VeranstalterInnen und für Beckstein selbst. Während eine große Zahl an DemonstrantInnen draußen vor dem Gebäude und an den Seiteneingängen eine Art Belagerungszustand erreichten, verhinderten drin mindestens die Hälfte der BesucherInnen durch ein 30minütiges Pfeif-Konzert, daß irgendein rassistisches Wort von Beckstein vernommen werden konnte. Der RCDS mußte die Veranstaltung absagen! (...) Ein voller Erfolg für alle antirassistischen und antifaschistischen Gruppierungen in Göttingen." Irgendwelche politischen Konsequenzen? Keine.

Feigheit ist angesichts dieser Frechheiten an der Tagesordnung. Jörg Friedrich hat aber ein unerwartetes Beispiel für Zivilcourage gegeben. Nachdem die Antifa-SA den demütigenden Zutritt der Besucher über einen Seiteneingang erzwungen hatte, forderte Friedrich die Gäste auf, mit ihm nach draußen zu gehen und den Zutritt durch den Haupteingang zu erzwingen - vor den Augen der verblüfften Polizei. Es folgten ihm Gäste, einige Fäuste flogen - doch der freie Eintritt war erreicht.


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