© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/03 07. März 2003

 
In die Falle getappt
Nachtrag zum "Kampf gegen Rechts"
Angelika Willig

Den herrschenden Parteien fällt mittlerweile auf, daß der seit Sommer 2000 auf Hochtouren laufende "Kampf gegen Rechts" kein besonderer Erfolg ist. Die erheblichen Geldmittel, die dafür bewilligt wurden, sind zum nicht geringen Teil in den Kassen von Linksextremisten gelandet. Claus-M. Wolfschlag hat das in seinem Buch "Das antifaschistische Milieu" detailliert nachgewiesen. Außerdem ist der autonomen und militanten "Antifa", einer bundesweiten Schlägertruppe also, die solidarische Aufnahme in den Chor der linksliberalen Lehrer und pazifistischen Besserverdienenden gelungen. Es entstand genau das, was man als gefährlich sich überlagernde "Grauzone" bezeichnet. Nun beginnt man erschreckt, die Gelder zu streichen, zumal die Kassen ohnehin leer sind. Eine "Tendenzwende" will Doris Neujahr in der letzten Ausgabe dieser Zeitung darin nicht sehen. In dieser Einschätzung hat sie völlig recht. Es gilt aber noch genauer zu sehen, warum die Entlarvung der Antifa-Strategien niemals zum Verschwinden des Nazi-Mythos führen wird, auch wenn sie noch so vollkommen gelingt.

Sicher haben politisch erfolglose PDS-Funktionäre und sozial Deklassierte aus der autonomen Szene ein Interesse daran, sich mittels Antifaschismus eine Existenzberechtigung zu verschaffen. Aber diese Gruppen sind gesellschaftlich machtlos. Sie können noch so ein großes Interesse haben, sie würden sich damit nicht durchsetzen, wenn nicht noch andere Interessen mitspielten. Da Einfluß und Stärke von Rechtsextremisten ständig übertrieben werden, neigen Skeptiker im Gegenzug dazu, die Bedeutung der Linksextremisten zu übertreiben. In Wahrheit sind aber beide extremen Gruppierungen verschwindend klein und verfügen über keine eigenen Machtpotentiale. Auch die PDS hat ihre Erbschaft weitgehend verbraucht. Stark und mächtig ist in Deutschland allein die sogenannte Mitte, die sich selbst auch als "demokratischer, antitotalitärer Konsens" definiert.

Der Politikwissenschaftler Manfred Funke, der in der letzten JF interviewt wurde, nennt diesen Begriff, um den positiven Sinn antifaschistischer Bestrebungen gegen Linksaußen abzugrenzen. Darin folgt ihm der Leser besonders gern, wenn er es gewohnt ist, von Linksextremisten fälschlich als rechtsextrem diffamiert zu werden. Mit Professor Funke - und denjenigen Christdemokraten, die vor zwei Wochen die Fragestunde im Bundestag beantragt haben - fühlt sich der Gebeutelte nun im allgemeine Konsens aufgehoben und glaubt, daß ihm nichts mehr passieren könne. Dies ist jedoch eine Falle. Wir merken es spätestens dann, wenn bei der nächsten Sachfrage uns das eigene Urteil zwingt, eine politisch nicht korrekte Meinung zu äußern. Dann braucht es nämlich gar keine bunthaarigen schwarzgewandeten Antifa-Schreier. Es genügt ein dezenter Blick über die Halbbrille, ein sozial- oder christ-, auf jeden Fall demokratisches Hüsteln, und die Sache ist erledigt.

Antifaschismus hat in jeder politischen Theorie seinen bestimmten Sinn. In der marxistischen Theorie, von der auch linke Analphabeten noch zehren, gilt der Faschismus als Speerspitze des Großkapitals. Seine Bedeutung ist hier eher zweitrangig und gehört in den größeren Rahmen des Klassenkampfes. Wenn Restlinke also den Antifaschismus zu ihrem Hauptanliegen machen, beweist das nur ihre ideologische Ratlosigkeit.

Bei den Liberalen im weitesten Sinne sieht es anders aus. Sie haben per definitionem keinen politischen Feind und sind jeder Unverschämtheit ausgeliefert - doch nicht völlig. Es gibt immer noch das, was bei aller Tabufreiheit und Freizügigkeit, bei aller Toleranz nicht zu tolerieren ist, nämlich Rassismus, Faschismus, Rechtsextremismus, Neonazismus, und was der Teufel sonst noch für Namen hat. Es ist ganz klar, wie hier im atheistischen Umfeld die Stelle des Bösen neu besetzt wird und besetzt werden muß, weil sonst diese Gesellschaft den letzten Rest an moralischer Autorität verlieren würde. Was noch schlimmer ist, jede korrupte Existenz vom Staatsminister bis zur Edelhure würde den Respekt vor sich selbst verlieren, könnte sich nicht mehr im Spiegel ansehen, wenn es nicht einen gäbe, der noch tiefer in Schlamm und Scheiße hockt, der ewige Nazi.

Unkorrekte Ansichten werden nicht deshalb ausgegrenzt, weil sie mit dem Faschismusverdacht belegt sind. Genau umgekehrt belegt man mit dem Faschismusverdacht Ansichten, die mächtige Kreise angreifen. Es gibt kein trauriges Mißverständnis zwischen Konservativen innerhalb und Konservativen außerhalb des öffentlichen Diskurses. Es nützt nichts, wenn Unionspolitiker grundsätzlich bereit sind, demokratische Absichten auch rechts von CDU/CSU anzuerkennen. Denn sobald offene Kritik an der Union laut wird, greift man wieder panisch nach der "Faschismuskeule". Sie kommt jedesmal zum Einsatz, wenn Machtträger sich fundamental angegriffen fühlen. Alles, was dem Staat nicht genehm ist, erhält das Etikett "faschistisch" oder "nazistisch" und braucht nicht diskutiert zu werden. Das funktioniert zwar bestens, aber der Preis dafür ist das Fehlen jeder tieferen Korrektur, wodurch die Karre immer weiter in den Sand fährt. Ein Weg hinaus hieße zuerst das Denkverbot aufheben.

Es sind die großen Parteien, Medien und Interessenverbände, die ihre Pfründe bewahren wollen und daher Angst vor jeder Veränderung haben. Der geistige Neuerer, sagt Friedrich Nietzsche, erscheint den meisten zunächst als Verbrecher und muß mit Verfolgungen rechnen. Der Haß auf den Andersdenkenden ist bei denen am größten, die überhaupt nicht denken wollen.


 
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