© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/03 14. März 2003


Irak-Krise
Das Gesetz einer Schlacht
Dieter Stein

E in amerikanischer Präsident muß schon von ausgesprochen verblendeten Beratern umgeben sein, wenn es ihm nicht gelingt, für einen Krieg gegen den am Boden liegenden Irak die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, geschweige denn die europäischen Verbündeten der Nato durch rechtzeitiges faires Einbeziehen zu gewinnen. Es fertig zu bekommen, Bündnispartner, die normalerweise jeder amerikanischen Regierung aus der Hand fressen, derart nachhaltig gegen sich aufzubringen, daß sie sich kategorisch gegen sie stellen - dazu gehört wahrlich ein unglaubliches diplomatisches Geschick.

Nun ist das Zustandekommen einer UN-Resolution, die einen Angriff auf den Irak seitens einer amerikanisch-britischen Kriegskoalition eindeutig legitimiert, erst einmal am Widerstand der Veto-Mächte Frankreich, Rußland und China gescheitert. Die USA und Großbritannien stehen vor einem politischen Trümmerhaufen. Das Desaster verdanken sie ihrer nationalen Arroganz und politischen Kurzsichtigkeit. Wie der Volksmund sagt: "Gestern noch auf hohen Rossen, heute durch die Brust geschossen!"

Die Sitzung des Sicherheitsrates vom vergangenen Freitag wurde zum "Show down". Im Minenspiel des US-Außenministers Colin Powell war die tragische Dialektik aus Überheblichkeit und Scheitern abzulesen, während Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin in einer dramatischen, emotionalen Rede den Versuch, die Staatengemeinschaft zur Zustimmung zum Völkerrechtsbruch und zum Angriff auf den Irak zu erpressen, in kleinste Schnipsel zerriß.

Ein wenig erinnert die Atmosphäre an die Zeit von Glasnost und Perestroika in den achtziger Jahren, als für erstarrt gehaltene Strukturen über Nacht ihren Halt verloren und kraftlos in sich zusammenfielen. Es liegt eine Ahnung von weltpolitischer Wechselstimmung in der Luft. Hier scheint eine Macht, die allein verbliebene Supermacht USA, einen Scheitelpunkt erreicht zu haben und im Begriff zu sein, vor versammeltem Publium, in Zeitlupe, in unendlichen, peinlichen Sekunden ihr Gesicht zu verlieren.

Der britische Militärhistoriker John Keegan ("Die Schlacht") schilderte einmal, daß jede Armee, habe sie sich einmal in einer Stellung eingerichtet, "eine Aversion gegen 'Bewegung'", also gegen den Angriff habe. Dieses Beharrungsvermögen sei sogar "so stark, daß sie sogar der Wirkung des feindlichen Widerstandes gleichkommt." In der aktuellen Irak-Krise läßt sich diese Erkenntnis nicht nur auf die am Golf versammelte britisch-amerikanische Streitmacht von über 250.000 Soldaten übertragen.

Gelingt es Washington und London nicht innerhalb weniger Tage, eine Legitimation durch die Uno zu organisieren, erstirbt die für einen motivierten Angriff notwendige "Bewegung" (Keegan) nicht nur für die Psychologie der eigenen Soldaten, sondern auch der innenpolitischen Front aus Politikern, Journalisten - und Bürgern. Wird also nicht sehr bald angegriffen - mit oder ohne UN-Mandat -, dann kostet es Bush und Blair den Kopf.


 
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