© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/03 14. März 2003

 
Dresdner Stollen für Mexico Stadt
Fürstenhaus Wettin: Der Familienzwist des sächsischen Königshauses findet in aller Öffentlichkeit statt
Paul Leonhard

Die Fensterläden sind fest verschlossen. Die Türen verrammelt. Seit das ehemalige Königshaus Wettin Ansprüche angemeldet hat, gammelt Schloß Wachwitz am Dresdner Elbhang ungenutzt vor sich hin. Albert Prinz von Sachsen hätte hier gern seinen Wohnsitz genommen. Deswegen streiten sich die Wettiner seit Mitte der neunziger Jahre vor Gericht um das vom Sohn des letzten Sachsen-Königs als Familiensitz zwischen 1934 und 1936 errichtete Gebäudes. Auf der Liste der Rückgabeforderungen stehen außerdem Villen in Dresden, sowie Schloß Moritzburg und die Fasanerie. Mehr als der Immobilienstreit beschäftigt jedoch ein seit Monaten in aller Öffentlichkeit ausgetragener Familienstreit die Medien. Es geht um die Nachfolge des Adelshauses, das einst Sachsen regierte. Dabei schien bis vor kurzem noch alles klar. Da seine eigene Ehe kinderlos geblieben war, hatte der Chef des Hauses Maria Emanuel, Markgraf von Meißen und Herzog zu Sachsen, 1999 den Sohn seiner Schwester Prinz Alexander adoptiert. Der 49-jährige, der zu diesem Zeitpunkt seit Jahren mit seiner Familie in Mexiko lebte, sollte die Nachfolge antreten. Der Bruder des Markgrafen, Prinz Albert von Sachsen, erklärte sich damals schriftlich mit dieser Regelung einverstanden. Dann meldete überraschend im vergangenen Jahr der Urenkel des letzten Königs, Rüdiger Prinz von Sachsen, seine Ansprüche auf die Führungsrolle des Hauses an. Schließlich sei er der einzige direkte männliche Nachfolger Friedrichs August III., jenes Sachsen-Herrschers, der 1918 mit dem legendären Spruch "Macht doch Euern Dregg alleene" abtrat.

Das Adelsgeschlecht liefert sich eine Schlammschlacht

Sein Konkurrent Prinz Alexander sei dagegen vom Wettiner-Chef lediglich adoptiert worden und dürfe daher nicht an der Spitze des Hauses stehen. Rüdiger Prinz von Sachsen beruft sich dabei auf einen Passus des "Königlichen Hausgesetzes" der Wettiner, wonach "keinem Mitgliede des Königlichen Hauses" eine Adoption gestattet ist. Geändert werden darf das Hausgesetz nur durch einstimmigen Beschluß der Agnaten, der männlichen Blutsverwandten der Vaterseite. Ein solcher Agnaten-Verein des Hauses Wettin Albertinische Linie sowie ein Familienverein mit den weiblichen Mitgliedern wurden Ende 2002 mit klarer Zielstellung gegründet: Seine Mitglieder sollen beim Abtritt des Markgrafen demokratisch die Nachfolge klären. Spätestens seitdem liegen Maria Emanuel, 76, und sein Bruder Albert, 68, miteinander im Clinch. Vor den Augen der erstaunten Sachsen liefert sich das Adelsgeschlecht eine Schlammschlacht, wie sie wohl unter den Wettinern noch nie ausgetragen wurde. Auf die Gründung der beiden die Interessen von Albert von Sachsen und damit die Ansprüche von Prinz Rüdiger vertretenden Vereine antwortete der Familienchef mit einem Verein "Vormaliges Sächsisches Königshaus".

Überdies überraschte er Anfang Januar mit einer fünfseitigen Erklärung die Öffentlichkeit. Darin warf er seinem Bruder Albert "zutiefst treuloses Fehlverhalten" vor. Gleichzeitig stellte der Markgraf dem abtrünnigen Teil der Familie ein Ultimatum: Wer nicht bis zum 7. Februar "eine Loyalitätserklärung" unterschreibe, in der der Chef des Hauses als Familienoberhaupt anerkannt wird, werde bei der anstehenden Reorganisation des Hauses Wettin nicht berücksichtigt. Er wolle so sicherstellen, daß die Öffentlichkeit nicht von falschen Wettinern überschwemmt wird, teilte er von seinem Wohnsitz am Genfer See mit. Juristische Unterstützung bekommt der Markgraf von Christoph Jestaedt. Nach Ansicht des Vorsitzenden Richters am Sächsischen Verwaltungsgericht ist Voraussetzung für die Thronfolge nach dem "Königlichen Hausgesetz" die männliche Abstammung in gerader Linie nach Albrecht dem Beherzten sowie eine ebenbürtige Ehe der Eltern. Letztere sei aber bei Prinz Rüdiger nicht gegeben, da seine Mutter eine Bürgerliche war. Die vom Ausschluß bedrohten elf sächsischen Prinzen und Prinzessinnen gaben jedoch nicht klein bei, sondern wählten prompt Albert von Sachsen in das neue Amt eines "Präsidenten des Hauses Wettin".

Vor Gericht haben die Wetter verloren

Inzwischen hat der Freistaat indirekt in die Nachfolgedebatte eingriffen. Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) ernannte den vor fünf Jahren von Mexiko nach Dresden umgesiedelten Prinzen Alexander von Sachsen mit einem Zwei-Jahres-Vertrag zu seinem Wirtschaftsberater. Seit Februar soll der 49jährige in Nordamerika, Japan und den alten Bundesländern für Investitionen in Sachsen werben. In Mexiko-Stadt habe er bereits angeregt, zu Weihnachten Dresdner Stollen zu verteilen, teilte der Berater als ersten Erfolg mit.

Verloren haben die Wettiner dagegen vor Justitia. Die Richter des Dresdner Verwaltungsgerichts lehnten Anfang Februar die Klage auf Rückübertragung von Immobilien ab. Diese seien von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet worden. Albert von Sachsen will nun "einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Freistaat suchen". Schließlich bleibe den Wettinern ein Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich.

Vor weiterem Feilschen warnt Markgraf Maria Emanuel von Meißen. Die Wettiner dürften sich nicht wie Krämer aufführen, denen es eigentlich nur um Geld geht, schimpfte er mit Blick auf seine Verwandten. Genau diesen Eindruck haben aber viele Sachsen von den adeligen Erben, die zwei Jahre lang mit dem Freistaat über landesgeschichtlich und kunsthistorisch bedeutsame Werke verhandelten, die nach 1945 enteignet und nach 1990 als "bewegliche Güter" zurückgegeben werden mußten. Letztlich überließen die Wettiner den staatlichen Museen 12.000 Gegenstände und erhielten dafür Immobilien und Bargeld im Wert von etwa 13 Millionen Euro.

Neuen Zündstoff gibt es dagegen im Familienstreit. Der Markgraf hatte ein Ultimatum zum Beitritt zu seinem Verein "Vormaliges Sächsisches Königshaus" gestellt. Bruder Albert deutete Interesse an, wenn zuvor neu über die Satzung verhandelt werde. Der Markgraf soll bereits abgewinkt haben: Es gebe kaum Spielraum.


 
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