© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/03 21. März 2003


Angriff auf das Völkerrecht
Irak-Konflikt: Die Diplomatie ist am Ende - Jetzt sprechen die Waffen
Michael Wiesberg

Saddam Hussein und seine Söhne müssen den Irak innerhalb von 48 Stunden verlassen", dekretierte US-Präsident George W. Bush in der Nacht zum Dienstag (MEZ) in einer Fernsehansprache an die Nation. "Ihre Weigerung wird zu einem militärischen Konflikt führen, der zu einem Zeitpunkt unserer Wahl beginnen wird." Die irakischen Soldaten forderte Bush auf, ihr Leben nicht für die Regierung in Bagdad zu opfern. Bush vergaß nicht, die irakischen Militärs davor zu warnen, die Ölquellen des Landes zu zerstören und chemische oder biologische Kampfstoffe gegen die USA und ihre Verbündeten einzusetzen.

Vorwürfe, kein Recht für einen Angriff zu haben, wies Bush in seiner Rede brüsk zurück. Seiner Auffassung nach hätten die USA auch ohne UNO-Mandat die Ermächtigung für einen Krieg gegen Irak. "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben die souveräne Autorität, Gewalt anzuwenden, um ihre eigene nationale Sicherheit zu gewährleisten", unterstrich der US-Präsident. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, daß Saddam ins Exil gehen sollte, würden die USA nach Aussage von US-Außenminister Colin Powell im Irak einmarschieren, um die Zerstörung der dort vermuteten Massenvernichtungswaffen zu überwachen.

250.000 Soldaten stehen bereit, um die Invasion und Eroberung des durch umfassende Embargo-Maßnahmen schwer angeschlagenen Landes einzuleiten. Dieser Krieg dürfte nicht nur im Irak selbst folgenschwere Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch zu einer Neujustierung der internationalen Beziehungen führen. Die Bush-Regierung ist dabei, den normativen Rahmen dieser Beziehungen, so wie sich dieser nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat, zu pulverisieren. Darüber kann auch das durchsichtige Bestreben des Weißen Hauses nicht hinwegtäuschen, die Politik der Regierung Bush mit fragwürdigen Analogien - Stichwort: "Appeasement-Politik" - zu legitimieren. Dieser Irak hat mit dem Deutschland der Jahre 1933 bis 1945 nichts zu tun.

Knapp eine Stunde setzten sich Bush, Blair und Aznar am vergangenen Sonntag auf den Azoren miteinander an einen Tisch. Dann verkündeten sie ein neuerliches Ultimatum. Dieses war zwar an Saddam Hussein gerichtet. Frankreich, Rußland, Deutschland und andere Staaten, die sich einer Sicherheitsratsresolution zu widersetzen wagten, durften sich aber mitangesprochen fühlen.

Ganz vom Geist der pax americana durchdrungen wird dieser Krieg durch die Regierung George W. Bush als Akt der "Befreiung" verbrämt. Der irakischen Bevölkerung werden herrliche Zeiten versprochen, sobald ihr Land von den USA und ihrer Verbündeten erobert sein wird. Tatsächlich wird die 70jährige Geschichte der weitgehender Unabhängigkeit des Iraks ein Ende finden.

Abstoßend ist die Anbiederei des reiche Kriegsbeute witternden spanischen Premiers José Maria Aznar und des britischen Premierministers Blair gegenüber Bush. Beide, Aznar und Blair, der inzwischen in seiner eigenen Partei umstritten ist, ignorieren den Willen ihrer Völker mit einer Arroganz, die ihresgleichen sucht. Und diese zwielichtige Dreierbande maßt sich nun an, den Willen der "freien Welt" verkörpern zu wollen.

Immer deutlicher wird, welche Ziele diese selbsternannten Anwälte der "Freiheit" wirklich verfolgen. Jüngsten Presseberichten zufolge hat Blair die britischen Einheiten mit dem Auftrag nach Kuwait geschickt, die irakischen Ölfelder im Süden zu sichern, die bei Rumaila in der Nähe der irakisch-kuwaitischen Grenze liegen. Daß die Türkei ein Auge auf die irakischen Ölfelder im Norden des Landes geworfen hat, wo ein Drittel der Ölreserven des Landes liegen, ist kein Geheimnis mehr. Das weiß auch George W. Bush, der alles daran setzen wird, eine türkische oder eine kurdische Vorherrschaft in dieser Region zu verhindern. Bush will den alleinigen Zugriff auf das Öl. Deswegen führt er diesen Krieg.

Über den US-Vizepräsidenten Richard Cheney berichtete jüngst die britische Zeitung The Guardian, daß dieser weiterhin Zahlungen in geschätzter Höhe von 500.000 bis 600.000 Dollar jährlich von Halliburton erhält. Halliburton ist ein bedeutender Lieferant von Ölförderanlagen, an dessen Spitze Cheney vor den Wahlen 2000 stand. Und Halliburton ist, wen wundert es noch, eine der drei großen US-Gesellschaften, die bei der Vergabe von Verträgen für den Wiederaufbau der irakischen Ölfelder unter einer amerikanischen Nachkriegsverwaltung bevorzugt behandelt werden sollen.

Die diplomatischen Bemühungen, den Krieg noch zu verhindern, waren bei diesem Hintergrund von vornherein zum Scheitern verurteilt. In der Uno wurden die Vorschläge von sechs Mitgliedstaaten des Weltsicherheitsrates, dem Irak noch einen Monat Zeit für die Abrüstung zu geben, wenige Stunden nach der Verteilung des ersten Resolutionsvorschlags abgeschmettert. Die USA hatten die auf Initiative von Chile in die Diskussion gebrachten Vorschläge umgehend öffentlich zurückgewiesen.

Im dem Entwurf hieß es unter anderem, Bagdad solle aufgefordert werden, innerhalb von dreißig Tagen zu erklären, was mit seinen Giftgas- und Anthrax-Beständen geschehen sei. Alle Raketen vom Typ Al Samoud 2 sowie die dazugehörenden Komponenten sollen innerhalb dieser Frist vernichtet werden.

Ein derartiger Vorstoß habe bei den USA keine Chance, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer. Einen Tag zuvor war ein ähnlicher Vorschlag Großbritanniens mehrheitlich bei den Vetomächten Frankreich, Rußland und China auf Ablehnung gestoßen.

In einer gemeinsamen Erklärung riefen Frankreich, Rußland und Deutschland noch einmal zu einer friedlichen Lösung des Irak-Konflikts auf: Unter den derzeitigen Umständen sei es "weder gerechtfertigt, auf den Inspektionsprozeß zu verzichten noch statt dessen gewaltsam vorzugehen". Daß ein Krieg noch verhindert werden könnte, glaubt indes niemand mehr.

Saddam Husseins Versuch, den Krieg durch die Einladung der Uno-Chefinspekteure Hans Blix und Mohamed El Baradei noch abzuwenden, blieb ohne Resonanz. Der Besuch sollte der beschleunigten Zusammenarbeit in den noch ausstehenden Fragen der Entwaffnung Iraks dienen, war von irakischer Seite zu hören. In Washington wurde hingegen gemutmaßt, daß Saddam einen möglichen Angriff der USA durch den hohen Besuch in Bagdad abwenden wolle.

Nun ist ist es mehr als wahrscheinlich, das bereits am Donnerstag die ersten Bomben über dem Irak abgeworfen werden. Der Schaden, den sich die USA damit selbst zufügen, wird irreparabel sein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen