© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/03 21. März 2003

 
"Völlig inakzeptabel"
Interview: Nach linksextremen Krawallen bei einer Lesung des Historikers Jörg Friedrich kritisiert der CDU-Innenpolitiker Kurt Schrader die Zustände in Göttingen
Moritz Schwarz

Herr Schrader, der Versuch von Linksextremisten in Göttingen, eine Lesung des renommierten Berliner Historikers Jörg Friedrich aus dessen Buch "Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg" zu verhindern (JF berichtete), hat ein Schlaglicht auf die Situation in puncto Linksextremismus in Niedersachsen geworfen. Wie bewerten Sie den Vorfall?

Schrader: Der Versuch, den Vortrag eines derzeit in den internationalen Feuilletons diskutierten Buchautors zu verhindern, ist völlig inakzeptabel. Doch bitte ich Sie, nicht von der Situation in Göttingen auf die Situation im ganzen Land zu schließen. Göttingen ist eine Universitätsstadt und beheimatet demzufolge auch das einschlägige linksextreme Milieu, das aber nicht repräsentativ für Niedersachsen ist.

Werden die Wähler von der neuen bürgerlichen Mehrheit im Landtag ein Engagement zur Bekämpfung dieser Zustände in vielen städtischen Zentren Niedersachsens erwarten können?

Schrader: In einigen Städten herrschen diesbezüglich in der Tat Zustände, die wir nicht hinnehmen können. Dort versucht eine winzige Minderheit an "Autonomen Antifaschisten" und anderen Linksextremisten, die große Mehrheit der Bürger einzuschüchtern und dem öffentlichen Raum ihren politischen Extremismus aufzuzwingen.

Das heißt, Sie werden als Mitglied des Innenausschusses das Thema zur Sprache bringen?

Schrader: Zunächst werde ich mich in dieser Woche mit den Fraktionskollegen aus Göttingen zusammensetzen und hören, was diese zu dem Friedrich-Vorfall zu sagen haben. Seien Sie versichert, daß ich mir als ehemaliger Polizeibeamter der Situation in Göttingen durchaus bewußt bin und das Problem - in Verantwortung vor den Bürgern - nicht auf die leichte Schulter nehme. Hier ist die Politik gefragt, ich will das Problem deshalb nicht aus den Augen lassen.

Im Januar 1999 und im Mai 2001 wichen die Unions-Politiker Wolfgang Schäuble und Günter Beckstein, die zu Vortragsveranstaltungen nach Göttingen gekommen waren, jeweils der Nötigung durch autonome Chaoten. Der "linke" Historiker Friedrich dagegen hat gegenüber den Antifa-Aktivisten sein Bürgerrecht auf freien Zugang und freie Rede ertrotzt. Schämen Sie sich da nicht ein bißchen für Ihre Parteifreunde?

Schrader: Sie schildern das sehr zugespitzt. Beckstein - den ich persönlich kenne - und Schäuble sind keine Feiglinge. Sie haben damals gemäß der Lageeinschätzung der Polizei vernünftig gehandelt und eine Eskalation vermieden. Natürlich war das kein Ruhmesblatt, aber es war verantwortungsbewußt.

Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm hat in einem ausführlichen Interview mit dieser Zeitung (JF 47/02) davor gewarnt, daß im Zuge des sogenannten "Kampf gegen Rechts" Linksextreme ihre Ideologie in die bürgerliche Mitte transportieren. Muß die CDU daher hinsichtlich der üblichen Verflechtungen von Gewerkschaften, SPD und Grünen mit dem Linksextremismus auch in Niedersachsen nicht künftig besser hinschauen?

Schrader: Wir haben diesbezüglich selbst hier vor Ort leidvolle Erfahrungen gemacht. In Braunschweig werden CDU-Veranstaltungen von der einschlägigem Klientel gestört, und die SPD unternimmt nicht das Geringste dagegen. Ich denke zum Beispiel an den Wahlkampfauftritt Edmund Stoibers hier im letzten Herbst. In anschließenden Gesprächen mit der örtlichen SPD wurden die Störungen dann immerhin bedauert und versichert, daß so etwas in Zukunft nicht vorkommen wird. Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen. Ich bitte Sie, dafür Verständnis zu haben, da der Innenausschuß seine Arbeit erst in diesen Tagen aufnehmen wird.

 

Kurt Schrader, 53, Polizeibeamter a.D., ist CDU-Abgeordneter im Landtag von Niedersachsen und Mitglied des Innenausschusses.

 

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