© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/03 21. März 2003

 
Die Rechte der Völker
Die Münchner Burschenschaft Danubia veranstaltete ihre traditionellen Bogenhausener Gespräche
Martin Pfeiffer

Am 8. und 9. März lud die Münchner Burschenschaft Danubia zum 20. Mal zu den Bogenhausener Gesprächen ein. Das akademische Symposium stand diesmal unter dem Titel "Völkerrecht im 21. Jahrhundert - Gestaltwandel der Konflikte". Als die Veranstalter dieses Thema auswählten, war noch nicht dessen aktuelle Brisanz abzusehen. So war das zweitägige Treffen mustergültig auf den gegenwärtigen Konflikt zwischen den USA und dem Irak zugeschnitten. Die Auswahl der Referenten glich fast einem "Wer ist wer?" auf dem Gebiet der Zeitgeschichte und des Völkerrechts.

Die Gespräche begannen mit einem Vortrag von Walter Post zum Thema "Kurzer Abriß der Entwicklung des Kriegsvölkerrechts im 20. Jahrhundert - Ius ad bellum und ius in bello". Darin zeigte der bekannte Buchautor die Entwicklung auf, die vom Kriegführen als legitimes Mittel der Politik - und zwar von der Antike bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs - in das Verbot der Androhung von Gewalt gegenüber anderen Staaten mündete. Als eine große Errungenschaft bezeichnete Post die Schaffung des Kriegsvölkerrechts, des ius in bello, das bestimmte Verhaltensregeln den Krieg führenden Parteien auferlegt. Denn nur so könne in einem unmenschlichen Konflikt gewährleistet werden, daß nicht die Barbarei Platz greift.

Daran anknüpfend, zeigte der emeritierte Professor für Sozial- und Militärgeschichte an der Universität der Bundeswehr, Franz W. Seidler, "Kriegsverbrechen und Partisanenkrieg im Völkerrecht" auf. Dabei stellte er klar, daß die Erschießung von Freischärlern im Zweiten Weltkrieg keineswegs per se als Kriegsverbrechen einzustufen sei. Denn zuerst müsse geprüft werden, ob es sich bei den Bandenmitgliedern um Kombattanten, also völkerrechtsgemäß kämpfende Personen, handelte oder nicht. Hierfür gebe es eindeutige Regeln.

Partisanenerschießungen waren daher damals durchaus völkerrechtskonform, wenn ein Standgericht nach normalen strafrechtlichen Bestimmungen aburteilte. Ausführlich ging Seidler auch auf die Repressalie ein, ein durchaus umstrittenes Mittel. In solch einem Fall befleißigt sich eine Partei an sich rechtswidriger Mittel, um die andere Partei, die sich außerhalb des Rechts gestellt hat, mit drastischen Maßnahmen wieder zurück auf den Weg des Rechts zu führen. Sowohl die Achsenmächte wie auch die Alliierten wendeten im Zweiten Weltkrieg Repressalien an, wobei in der Regel nicht selten am Kampf Unbeteiligte als Geiseln genommen wurden.

Zum Thema "Die Erosion des humanitären Völkerrechts und des Asylrechts - Konsequenz neuer Konfliktstrukturen?" referierte der junge Dozent an der Universität St. Gallen, Patrick Sutter. Er bemängelte das zunehmende Schwinden der Akzeptanz des humanitären Völkerrechts in den jüngsten Konflikten in Afghanistan und Israel. Unter Bezug auf die scheinbare Allmacht der USA als letzte Supermacht zeigte Sutter die Gefahr auf, die darin bestünde, daß ein Staat, der nicht mehr damit rechne, selbst Opfer von Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu werden, aus machtpolitischen und eigennützigen Gründen immer weniger Bereitschaft zeige, diese Normen auch selbst einzuhalten, da er ja keine Konsequenzen der unterlegenen Partei fürchten müsse. Damit wäre aber der regulierende Faktor außer Kraft gesetzt, daß man aus Angst davor, daß der Gegner mit derselben Münze zurückzahlt, vor Verstößen des Völkerrechts absieht! Damit müsse leider das humanitäre Völkerrecht um seine Zukunft bangen, schloß Sutter.

Große Beachtung fand der Vortrag des renommierten US-amerikanischen Völkerrechtlers Alfred Maurice de Zayas. Der 22 Jahre lang als Beamter am Zentrum für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf (zuletzt Sekretär des Uno-Menschenrechtsausschusses) tätig gewesene Gastprofessor an mehreren Universitäten in der Welt sprach zum Thema "Schutz der Zivilbevölkerung im Luftkrieg". Er arbeitete dabei deutlich heraus, daß die Bombardierung deutscher Städte durch alliierte Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg eindeutig völkerrechtswidrig war. Denn Anwendung fand zu dieser Zeit ohne Zweifel die Haager Landkriegsordnung. In deren Artikel 25 steht unmißverständlich, daß es untersagt ist, "unverteidigte Städte... mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen". Bei Beschießungen sind gemäß Artikel 27 größtmögliche Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen und nichtmilitärische Baulichkeiten zu schonen, was besonders bei der systematischen Zerstörung deutscher Städte in den letzten drei Kriegsjahren nicht beachtet wurde. Obwohl diese Bestimmungen bereits 1907 - zu dieser Zeit hatte es nur Ballons gegeben, die aus der Luft Krieg führen konnten - geschaffen worden waren, waren sie mutatis mutandis auf den Luftkrieg anwendbar. Als Siegertribunal richtete Nürnberg 1945/46 nicht über solche Verbrechen. Auf die aktuelle Frage angesprochen, wie ein Präventivkrieg zu werten sei, antwortete de Zayas kurz und bündig: Den gibt es im Völkerrecht nicht!

Als letzter Referent redete der Wiener Universitätsdozent Friedrich Romig zu den über einhundert Anwesenden. Der ehemalige Planungsdirektor des größten österreichischen Öl- und Chemiekonzerns, der staatlichen OMV, führte seine Zuhörer ins Reich der Philosophie. Seine brillant vorgetragenen Ausführungen über "Die Rechte der Nation als Grundlage des Völkerrechts" erregten am meisten Aufsehen und auch Widerspruch. Romig meinte, man müsse vom Staatenrecht sprechen, nicht vom Völkerrecht. Denn dieses regele nicht die Rechte der Völker, sondern der Staaten, die heutzutage kaum mehr "Nationalstaaten" seien. Das juristisch schwer definierbare Gebilde EU bekomme zunehmend totalitäre Strukturen. Und leider übe der Mächtige die Definitionshoheit über Begriffe wie Menschenrechte und Demokratie aus. Gott müsse im Mittelpunkt stehen - und für Katholiken der Papst, den Romig ausführlich als Hüter der Nationen zitierte. Eine Zukunft hätten nur der Nationalstaat und die Gedanken des Deutschen Idealismus (Hegel), nicht die Weltrepublik oder die "verwerflichen Forderungen der 1848er", die nur verspätet die Ideale der Französische Revolution zu verwirklichen versucht hätten!

Mit diesem Vortrag endete eine in jeder Hinsicht anspruchsvolle Tagung der Burschenschaft Danubia, die völlig zu Unrecht ins Visier des bayerischen Innenministers Beckstein geraten ist.

Friedrich Romig: Zukunft hat nur der Nationalstaat


 
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