© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/03 04. April 2003


Kriegsgott Mars
Der Vater aller Dinge
von Peter Freitag

Der Krieg am Golf ist nun mehr zwei Wochen alt. Der Monat, dessen zweite Hälfte fast vollständig von den Gefechten im Zweistromland bestimmt war, ist - Zufall oder Bestimmung - nach dem römischen Kriegsgott Mars benannt: März, von Martius, was bedeutet: dem Mars geweiht. Ein gutes Omen für den Angreifer?

"Mars regiert die Stunde", heißt es in Schillers Wallenstein, und diese Stellung der Gestirne deutet der Feldherr als Zeichen: "Jetzt muß gehandelt werden!" Keine der beiden derzeit streitenden Parteien verehrt den alten Kriegsgott kultisch; ihr Feldgesang ist streng monotheistisch, sei es "Allahu akbar!" auf der einen, "Onward Christian Soldiers!" auf der anderen Seite. Und doch erwecken die Bilder dieser Tage den Anschein einer Prozession zu seinen Ehren.

Mars (hier dargestellt in einer Zeichnung aus dem Jahr 1880) war ursprünglich ein italischer Bauerngott, der die heimischen Felder beschützte. In Rom erhielt er durch den Einfluß der Griechen Charakterzüge des Ares, wie der Kriegsgott vom Pelepones hieß. Und dessen Name ihn als "Schädiger" und "Rächer" auswies, denn er personifizierte den verheerenden Angriffskrieg und trat in Begleitung seiner beiden Söhne auf - Phobos und Deimos: "Furcht" und "Schrecken" - oder "Shock and Awe".

So wie sich das "neue Rom" zwischen Atlantik und Pazifik als "God's own country" versteht, leitete auch das alte Rom sein Selbstverständnis aus einer unmittelbaren Gottesbeziehung ab. Mars war der Vater des Stadtgründers Romulus und seines Zwillingsbruders Remus, womit die Römer in dem Kriegsgott ihren Ahnherren sahen. Daß Mars sich einmal mit der Liebesgöttin Venus einließ, mag vielleicht aufgeklärte Pazifisten verwundern; indes zeugt eben davon die (erotische) Faszination der von den "eingebetteten Reportern" in unsere Wohnzimmer gelieferten Kriegsbilder. Wäre er so sauber, wie uns manche glauben machen wollen, "würden wir den Krieg zu sehr lieben", stellte einst schon der Südstaaten-General Robert E. Lee fest.

Dem jungen aufstrebenden römischen Staat wurde Mars (neben Jupiter und Quirinus) zum wichtigsten Nationalgott, der die Stadt beschützte und ihrer Armee beistand. Auf dem ihm geweihten Marsfeld trat die Heeresmacht Roms zusammen, die den Frieden garantierte. Die Pax Romana, basierend auf der Doktrin militärischer Überlegenheit, die jeden Widersacher bekämpfte und den um Gnade Flehenden schonte. Dem neuen Rom scheint dieser Anspruch vertraut zu sein, sei es aus schierem Machtwillen, sei es aus Vernunft: "Ständiger Krieg für ständigen Frieden" (Harry E. Barnes). Ares, der griechische Mars, soll im Kampf um Troja mit seiner ungestümen Kraft auf seiten der Trojaner gewirkt haben - mit dem bekannten Ausgang. Unterlegen war er jedoch Pallas Athene, deren Kampfkraft sich bekanntlich in erster Linie durch etwas auszeichnete, was in jedem Krieg gleichermaßen bedroht wie unabdingbar ist: Besonnenheit.


 
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