© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/03 04. April 2003

 
Im Geiste Orwells
Der Krieg ernährt den Krieg: Außenminister Fischer betätigt sich als Wort-Schöpfer
Andreas Wild

Eine in ihrem (unfreiwilligen?) Zynismus geradezu kriminelle Wortprägung hat Außenminister Joschka Fischer zustande gebracht: den "Abrüstungskrieg". In einem Interview mit dem Spiegel spricht er gleich mehrmals von diesem "Abrüstungskrieg", wie ihn angeblich die USA zur Zeit im Irak führten und der unter Umständen zum Modell für alle zukünftig vom "Westen" geführten Kriege werde. Einerseits müsse man gegen den "Abrüstungskrieg" sein wie gegen alle Kriege, andererseits aber könne man die, die "Abrüstungskriege" führen oder führen wollten (also die USA) auch irgenwie verstehen. Es sei eine schwierige Sache.

Die größte Schwierigkeit scheint der Minister dabei noch gar nicht bedacht zu haben: nämlich die Tatsache, daß faktisch sämtliche Kriege Abrüstungskriege sind, immer schon gewesen sind. Was sich die Kombattanten vorher mühsam an Rüstung zugelegt haben, das wird, sobald der erste Schuß gefallen ist, Zug um Zug abgerüstet, verpulvert, niedergebrannt, zum Verschwinden gebracht. Der Krieg leert die Rüstungsarsenale rapide.

Manche Forscher sagen, daß dieses Leerräumen der Arsenale selber ein wichtiger Grund ist, einen Krieg zu beginnen. Sie nennen sogar Beispiele. Es ginge gar nicht in erster Linie um die gewaltsame Abrüstung des Gegners, sondern vorrangig um die eigene. Man will die schönen Sachen, mit denen man bisher immer nur "üben" durfte, wenigstens einmal im Ernstfall ausprobiert haben. Außerdem braucht man Raum für Nachschub, für neue "Generationen" möglichst "intelligenter" Waffen. Der Krieg ernährt den Krieg - indem er abrüstet.

Schön, daß nun endlich auch das entsprechende Wort dafür gefunden ist, mit dem man sich als Krieg-vom-Zaune-Brecher ein gutes Gewissen verschaffen kann! Was brauchen wir da noch Völkerrecht und Abrüstungsverhandlungen?


 
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