© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/03 18. April 2003


Meldungen

Managerschmiede setzt auf klassische Bildung

BERN. Die "Malaise mit dem Pisa-Etikette", Hiobsbotschaften über sinkendes schulisches Leistungsniveau und funktionalen Analphabetismus haben die Aufmerksamkeit neuerdings wieder auf die "klassische Bildung" gelenkt. Das noble Zentralorgan eidgenössischer Intellektueller, die Schweizer Monatshefte (2/03) singt daher jetzt das Loblied der alten Sprachen. Ausgerechnet an der wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten Universität St. Gallen, die als neoliberale Managerschmiede gilt, hat man ein Studienmodell kreiert, das Humboldts Vorstellungen von "Ganzheitlichkeit und Persönlichkeitentwicklung" wieder zu Ehren kommen läßt und besonders um Studenten wirbt, die bis zum Abitur Latein und Griechisch gelernt haben. Denn in Zeiten gravierender ökonomischer Wandlungsprozesse und Wettbewerbskämpfe seien Manager mit altsprachlich gefestigter "kultureller Kompetenz" Schmalspurökonomen und Buchhalternaturen überlegen.

 

Nordelbiens Hochschulen noch nicht "flott" gemacht

KIEL. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Hochschulen liegt das rot-grün regierte Schleswig-Holstein an vorletzter Stelle. Noch weniger kann also nicht gezahlt werden. Um trotzdem rigoros zu sparen, sind Studiengänge deshalb zu "bündeln". Die Universität Kiel soll etwa nach dem jetzt vorgelegten Bericht einer Sachverständigenkommission unter Vorsitz des Juristen Hans-Uwe Erichsen die Ausbildung von Sonderschullehrern ganz nach Flensburg abgeben. Zu Lasten der dortigen Bildungshochschule, einem rotgrünen Hätschelkind, haben die Kieler schon 1997 stark bluten müssen (Deutsche Universitäts-Zeitung, 6/03). Die berufungspolitische Stärkung Flensburgs war daher stets jener Torso eines Gesamtkonzepts, das Erichsen für den Rest der nordelbischen Hochschullandschaft vermißt. Daß nun auch Erichsens Reformvorschläge in der Lehrerbildung Kiel schwächen sollen, wird das Simonis-Kabinett nicht gerade ermuntern, regionale Interessen zu ignorieren, um Schleswig-Holsteins Hochschulen "flott für den internationalen Wettbewerb" zu machen.

 

Frühe Zuwendung zu deutschen Opfern

STUTTGART. Das Echo auf Jörg Friedrichs Luftkriegsepos "Der Brand" nimmt der Kölner Journalist Wolf Scheller nochmals zum Anlaß, um Erinnerungsmaßstäbe zurechtzurücken (Universitas 2/03). Was schon anläßlich des "Krebsganges" von Günter Grass als "verdrängte Geschichte" beklagt worden sei, nämlich "die Deutschen als Opfer", gehörte bereits in den fünfziger Jahren zum Themenrepertoire der Nachkriegsliteratur. Selbst politisch linksstehende Autoren wie der aus dem schlesischen Lauban vertriebene Arno Schmidt, späterer Hausheiliger Jan Ph. Reemtsmas, habe sich "immer wieder" mit "Flucht und Vertreibung" auseinandergesetzt. Lang ist die Liste der Autoren, die es ihm gleichtaten, wobei Augenzeugenberichte wie der Hans Graf von Lehndorffs ("Ostpreußisches Tagebuch") zu Kassenschlagern wurden. Ob Hans-Werner Richter, Wolfdietrich Schnurre oder Alfred Andersch - "sie alle haben auch über den Krieg und die Leidenserfahrung der Deutschen geschrieben".

 

Erste Sätze

Der äußerste nordwestliche Anhang der asiatischen Landveste, von tief einreißenden Meeren zergliedert wie eine vielfingerige Hand und im Süden durch den mediterranen Vulkanismus durcharbeitet, hat den Menschen gezogen, der die Erde überwand, übersah, einteilte, und aus göttlichem Geiste zum zweiten Mal erschuf.

Rudolf Borchardt: Prosa IV Stuttgart 1973.


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